Mit der Albert-Schweitzer-Medaille ausgezeichnet:
Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm
Am Montag, 19. September 2022 wurde dem bayerischen Landesbischof Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm in der Frankfurter Heiliggeistkirche am Dominikanerkloster mit der ALBERT-SCHWEITZER-MEDAILLE ausgezeichnet.
Diese Auszeichnung wurde dem ehemaligen EKD-Ratsvorsitzenden und Vorsitzenden des Zentralausschusses des Weltkirchenrates (ÖRK) in Anerkennung seines großen Engagements für grenzenlose Menschlichkeit, Frieden und Gerechtigkeit zuerkannt. Das kompromisslose und international anerkannte Eintreten von Dr. Heinrich Bedford-Strohm für die zivile Seenotrettung führte zur Gründung des Aktionsbündnisses United4Rescue unter Beteiligung der Evangelischen Kirche Deutschlands und zur Beschaffung von Rettungsschiffen auf Spendenbasis. Mit den Rettungsschiffen von United4Rescue konnten in den letzten Jahren, auch gegen erhebliche politische Widerstände, tausende von Flüchtlingen vor dem Ertrinken im Mittelmeer gerettet werden. Die Auszeichnung erkennt auch Bedford-Strohms verdienstvolles Wirken als Universitätslehrer, EKD-Ratsvorsitzender und Landesbischof an. Sein sozialethisches und theologisches Engagement steht im Einklang mit Albert Schweitzers universeller Ethik, die sich dem Schutz und der Förderung allen Lebens verpflichtet weiß.
Heinrich Bedford-Strohm erhält Albert-Schweitzer-Medaille
von Bettina Behler – Pressedienst Evangelischer Regionalverband Frankfurt und Offenbach
Schon in der Studienzeit habe ihn Albert Schweitzers „Ehrfurcht vor dem Leben“ angezogen und bewegt, sagte Professor Heinrich Bedford-Strohm, ehemaliger EKD-Ratsvorsitzender und dieser Tage neu gewählter Vorsitzender des Zentralausschusses des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) heute bei der Entgegennahme der Albert-Schweitzer-Medaille 2022 in der Heiliggeistkirche am Frankfurter Dominikanerkloster. Dazu passe, dass gleich im ersten Buch der Bibel steht: „Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde“. Der insbesondere für seinen Einsatz für die Seenotrettung geehrte 62 Jahre alte Theologe und bayerische Landesbischof fragte in seiner Dankesrede: Beim Blick in das Gesicht des Gegenübers werde Mitmenschlichkeit offenbar, warum sei das nicht auch selbstverständlich bei „Menschen außerhalb unseres Gesichtsfeldes?“
Dankbar zeigte Bedford-Strohm sich für alle, die nach dem Evangelischen Kirchentag in Dortmund 2019 mit ihm die Idee des Rettungsbootes für Flüchtlinge wahrgemacht haben. „Das war das, was wir in der Reformdiskussion der EKD Agilität nennen“, so der Geehrte. Bedford-Strohm nannte Thies Gundlach, Vorsitzender des Vereins United4Rescue, bis zu seiner Pensionierung 2021 einer der Vizepräsidenten des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), und Michael Schwickart von United4Rescue als zentrale Mitstreiter. (Rede von Dr. Heinrich Bedford-Strohm anlässlich der Verleihung der Albert-Schweitzer-Medaille)
Der 62 Jahre alte Hamburger Schwickart ist seit drei Jahrzehnten als selbständiger Bauträger tätig, von 2015 an hat er sein organisatorisches Know-How vor allem der Seenotrettung gewidmet und ist damit für Bedford-Strohm ein wichtiger Partner geworden. „So schön der heutige Anlass auch ist, umso trauriger und grausamer sind die Hintergründe“, sagte Schwickart. „Menschenverachtend“ nannte Schwickart die Politik Europas hinsichtlich der Flüchtlinge im Mittelmeer. Er forderte dazu auf, die Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache zu stoppen, Deutschland solle sich verpflichten, alle aufzunehmen, die von Schiffen unter deutscher Flagge gerettet werden. Die Politik solle dafür sorgen, dass die Städte und Gemeinden in der Lage sind, diese Geflüchteten aufzunehmen. (Michael Schwickart spricht über die Seenotrettung und U4R)
Zwei Politikerinnen saßen neben dem Kirchenpräsidenten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Volker Jung, und dem Evangelischen Stadtdekan von Frankfurt und Offenbach, Achim Knecht, in der ersten Reihe der Festveranstaltung: die Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth, Berlin, sowie Frankfurts Sozialdezernentin Elke Voitl. Beide unterstützen ausdrücklich die humanitäre Arbeit Bedford-Strohms.
Staatsministerin Roth: Bedford-Strohm ist nah bei den Menschen
„Ich bin ja nicht gerade bekannt als eine, die sonntags in die Kirche geht“, sagte Roth, aber sie freue sich sehr, den Kirchenmann Bedford-Strohm zu ehren. „Eine Kirche, die für die Welt das sein soll, wie Heinrich Bedford-Strohm sie verlangt, muss nah bei den Menschen sein. Heinrich Bedford-Strohm ist es“, so die Bundespolitikerin in ihrer Laudatio. Er erkenne lange vor anderen gesellschaftliche Themen und globale Herausforderungen, das sei beispielsweise auch bei der „Ehe für alle“ so gewesen. Mit Interesse sehe sie „die große Nachdenklichkeit bei der evangelischen Friedensethik“ angesichts des Ukrainekriegs, äußerte die Staatsministerin. (Laudatio von Staatsministerin Claudia Roth)
Voitl sprach von den Flüchtlingen, die infolge des Krieges im Osten nach Frankfurt kommen, auch da erlebe die Stadt, „wie vermeintlich ferne Krisen uns alle treffen“. Sie warnte jedoch vor einer „Zwei-Klassen-Gesellschaft“, etwa wenn Spender:innen expliziert nur Geflüchtete aus der Ukraine und nicht aus anderen Ländern unterstützen wollten.
Gefahren des Rassismus müsse entgegengetreten werden. „Ausgesprochen gerne“ spreche sie anlässlich der Ehrung Bedford-Strohms, sagte die Frankfurter Grünen-Politikerin, er zeige „ehrliches und nachhaltiges Engagement“ gegenüber Geflüchteten.
Das Albert-Schweitzer-Zentrum und die Stiftung Deutsches Albert-Schweitzer-Zentrum zeichneten Bedford-Strohm im Namen des Friedensnobelpreisträgers, Mediziners und Theologen Albert Schweitzer aus. Vielfach war der in Lambarene, Gabun, Tätige in Frankfurt zu Gast, erhielt die Goetheplakette und die Ehrenbürgerwürde. Voitl hob diese Beziehungen zur Stadt Frankfurt hervor.
Kirchenpräsident Jung sprach die enge Verbindung zwischen dem ersten Kirchenpräsidenten der vor 75 Jahren gegründeten EKHN, Martin Niemöller, zu Albert Schweitzer an. Niemöller, im ersten Weltkrieg U-Boot-Offizier, im Dritten Reich im Widerstand gegen Hitler und nach 1945 engagierter Pazifist, wäre gewiss mit Schweitzer ein Förderer der Seenotrettung gewesen, sagte Kirchenpräsident Jung, der Bedford-Strohm in Sachen Seenotrettung in der EKD-internen Debatte unterstützt hatte.
Stadtdekan Achim Knecht, der zusammen mit dem Albert-Schweitzer-Zentrum und der Stiftung zu der Veranstaltung in die Heiliggeistkirche eingeladen hatte, unterstützte ausdrücklich die Haltung der Landeskirche in Sachen Seenotrettung. Er erwähnte, dass auch die Stadt Mittel zu einem Beiboot beigetragen hat. Begrüßen konnte Knecht als Vertreter der Kommune neben Voitl die Stadträte Stefan Majer und Bastian Bergerhoff bei der Preisverleihung.
Übergeben wurde die Medaille von Gottfried Schüz, dem Vorsitzenden der Stiftung Deutsches Albert-Schweitzer-Zentrum, sowie von Roland Wolf, Vorsitzender des Deutschen Hilfsvereins für das Albert-Schweitzer-Spital in Lambarene. Verbunden mit der Verleihung ist die Ausstellung „Grenzenlose Menschlichkeit – man lässt keine Menschen ertrinken. Punkt“.
Sie ist in den kommenden Wochen zu Bürozeiten noch in der Heiliggeistkirche am Dominikanerkloster zu besichtigen und schildert nachdrücklich die Notwendigkeit der Seenotrettung.
In Kooperation mit dem Evangelischen Regionalverband Frankfurt/Offenbach fand aus diesem Anlass am Montag, 19 September 2022 um 11 Uhr die Verleihung der ALBERT-SCHWEITZER-MEDAILLE im Rahmen einer Festversammlung in der Frankfurter Heilig-Geist-Kirche am Doninikanerkloster statt.
Auf dem Programm standen Grußworte des Vorsitzenden des Evangelischen Regionalverbands Frankfurt/Offenbach, Dr. Achim Knecht, des Kirchenpräsidenten der Evangelischen Kirche in Hessen & Nassau, Dr. Volker Jung sowie als Vertreterin der Stadt Frankfurt die Grünen-Stadträtin und Sozialdezernentin Elke Voitl.
Die Laudatio hielt die Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth.
Den musikalischen Rahmen der Festveranstaltung gestalteten KMD Traugott Fünfgeld, Bezirkskantor aus Offenburg (Orgel), Lucia de Carvalho (Gesang) und Edouard Heilbronn (Gitarre), beide aus Strasbourg.
Michael Schwickart (United4Rescue & Sea Watch), Mitbegründer und Organisator von United4Rescue sprach über die Seenotrettung von Flüchtlingen auf dem Mittelmeer und über den Einsatz von Rettungsschiffen der zivilen und kirchlichen Seenotrettung und das Aktionsbündnis United4Rescue.
Die Veranstaltung wurde moderiert von Dr. Gottfried Schüz, dem 1. Vorstandsvorsitzenden der Stiftung Deutsches Albert-Schweitzer-Zentrum (DASZ) sowie Dr. Roland Wolf, dem 1. Vorstandsvorsitzenden des Deutschen Hilfsvereins (DHV) für das Albert-Schweitzer-Spital in Lambarene e.V., die die Verleihung der Albert-Schweitzer-Medaille vornahmen.
Die ALBERT-SCHWEITZER-MEDAILLE wird von der „Stiftung Deutsches Albert-Schweitzer-Zentrum Frankfurt am Main“ und dem „Deutschen Hilfsverein für das Albert-Schweitzer-Spital in Lambarene e.V.“ an Personen oder Institutionen verliehen, die sich durch ein herausragendes Engagement insbesondere für Frieden, interkulturelle oder interreligiöse Verständigung, Erhaltung der Lebensgrundlagen, soziale Gerechtigkeit oder humanitäre Hilfsprojekte im Sinne des geistigen Vermächtnisses von Albert Schweitzer verdient gemacht haben.
Die Verleihung der ALBERT-SCHWEITZER-MEDAILLE bietet Gelegenheit, das Lebenswerk Albert Schweitzers wieder stärker ins öffentliche Bewusstsein zu bringen. Im Zentrum von Schweitzers geistigem Erbe steht seine Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben. Diese Ethik weiß sich einer ins universelle erweiterten Verantwortung gegenüber allem Leben verpflichtet. Als Spitalgründer und Arzt im äquatorialafrikanischen Urwald (Lambarene, Gabun) hat Albert Schweitzer zusammen mit seiner Frau Helene über fünf Jahrzehnte seine Ehrfurchtsethik praktisch gelebt. Das Wirken Schweitzers als Kulturphilosoph, Theologe, Orgelbauexperte und Bachinterpret war bahnbrechend und hat nichts von seiner Aktualität verloren.
Schweitzers Engagement gegen Atomwaffenversuche sowie für Abrüstung und Frieden ist im Blick auf die Aufkündigung der Atomwaffenkontrollverträge und der Bedrohung der Menschheit durch weltweit geführte Kriege hochaktuell. Angesichts ethnisch-religiöser Konflikte, weltweiter Fluchtbewegungen in einem immer größer werdenden Ausmaß (100 Mio. Menschen im Jahre 2022), Armut und Hunger, der Infragestellung elementarer humanitärer Werte und der fortschreitenden Zerstörung unserer Lebensgrundlagen ist Schweitzers Lebensethik für die Zukunft der Menschheit existentiell.
Die Albert-Schweitzer-Medaille wurde bisher (2019) an den Musiker, Liedermacher, Komponisten und Autor Konstantin Wecker verliehen.
Das Wirken von Landesbischof Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm
Der in Memmingen 1960 geborene Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm ist seit 2011 Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Bedford-Strohm absolvierte nach dem Abitur in Coburg den Grundwehrdienst als Sanitäter. Danach studierte er zunächst Jura, Geschichte und Politikwissenschaften in Freiburg i.Br., sodann Evangelische Theologie in Erlangen, Heidelberg und Berkley (USA). Nach Examen, Assistententätigkeit und Promotion an der Universität Heidelberg absolvierte er das Vikariat in Heddesheim (Baden). Es folgten eine Dietrich-Bonhoeffer-Gastprofessur für Sozialethik am Union Theological Seminary in New York, Habilitation in Heidelberg, Lehrstuhlvertretung in Gießen und Pfarramt in Coburg. 2004-2011 hatte Bedford-Strohm den Lehrstuhl für Systematische Theologie und Theologische Gegenwartsfragen in Bamberg inne.
Die Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Arbeit sind Ekklsiologie, Ökumenische Theologie, Schöpfungsethik, Friedens- und Wirtschaftsethik, weiterhin befasst er sich mit Gerechtigkeitstheorie und mit christlichem Glauben in modernen Gesellschaften. An seinem Bamberger Lehrstuhl schuf er die Dietrich-Bonhoeffer-Forschungsstelle für Öffentliche Theologie.
Von 2014 bis 2021 war er EKD-Ratsvorsitzender und damit erster Repräsentant der Evangelischen Kirche in Deutschland, die mit etwas über 20 Mio. Menschen zu den großen gesellschaftsrelevanten Gruppierungen in Deutschland gehört.
Bedford-Strohm ist Mitglied mehrerer ökumenischer Kommissionen, Autor einer großen Zahl von Büchern, Mitherausgeber von Buchreihen („Öffentliche Theologie“, „Arbeiten zur Systematischen Theologie“) und Zeitschriften („Evangelische Theologie“, „zeitzeichen“, „Chrismon“).
An Auszeichnungen sind zu nennen:
„Wolfgang-Mittermaier-Preis für hervorragende Leistungen in der akademischen Lehre“ der Universität Gießen (2001), „Herbert-Haag-Preis für Freiheit in der Kirche“, „Hans-Ehrenberg-Preis“ der Christuskirche Bochum (beide 2016).
Bedford-Strohm fühlt sich, wie er selber über sich sagt, dem Lebensschutz verpflichtet. In diesem Sinne macht er sich auch stark für die Schwachen, für Flüchtlinge, für Arme und für alle Hilfebedürftigen. Sein Engagement für die Flüchtlingshilfe gab den Impuls zur Gründung von United4Rescue. Er ist einer der großen Förderer und Fürsprecher der zivilen und kirchlichen Seenotrettung und von United4Rescue.
Bedford-Strohm ist ein politisch hochengagierter, ein „politisch Frommer“ der immer klar und unmissverständlich eine Kirche vertrat, die der Politik etwas zu sagen hat und dies auch tun sollte. Seine zentralen politischen Forderungen sind tief verwurzelt im christlichen Glauben und verbunden mit Albert Schweitzers Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben.
Am 08. September 2022 wurde Dr. Bedford-Strohm auf der 11. Vollversammlung des Weltkirchenrates (ÖRK) in Karlsruhe zum neuen Vorsitzenden des Zentralausschusses des Weltkirchenrates gewählt.
Der Ort der Verleihung
Die Frankfurter Heilig-Geist-Kirche am Dominikanerkloster im Zentrum Frankfurts:
- Geschichte: Die Frankfurter Heilig-Geist-Kirche geht zusammen mit dem ehemaligen an die Kirche angrenzenden Dominikanerkloster bis auf das 13. Jahrhundert zurück. Die gesamte Anlage wurde im 2. Weltkrieg zerstört. Original erhalten geblieben ist allein der hochgotische Chor der Heilig-Geist-Kirche mit eindrucksvollen Farbfenstern.
- Konzert- und Kulturraum: In dem akustisch sehr günstigen, architektonisch sehr ansehnlichen Raum der Heilig-Geist-Kirche mit ihrer bedeutenden Walcker-Orgel finden zahlreiche hochkarätige Konzerte vieler Stilrichtungen statt. Die Heilig-Geist-Kirche ist einer der bedeutenden Konzert- und Kulturräumen im Zentrum der Handels- und Kulturmetropole Frankfurt am Main.
Dokumentationsausstellung
Parallel zur Verleihung der Albert-Schweitzer-Medaille wird die Dokumentationsausstellung „GRENZENLOSE MENSCHLICHKEIT- MAN LÄSST KEINE MENSCHEN ERTRINKEN.PUNKT-„ über einen Zeitraum vom 19.09.2022 bis zum 26.09.22 mit 18 Bildtafeln und Begleittexten in der Frankfurter Heilig-Geist-Kirche am Dominikanerkloster und im angrenzenden Innenhof zu sehen sein.