Gelebte Ehrfurcht vor dem Leben: Der Hilfsverein auf dem Evangelischen Kirchentag in Hamburg 2013

Von Konstanze Schiedeck

Für Albert Schweitzer und seine Frau Helene war es eine Herausforderung, in Französisch-Äquatorialafrika, heute Gabun, 1913 ein Spital aufzubauen. Monate zuvor gab es einen Kreis von Helferinnen und Helfern, die das Ehepaar dabei unterstützten, Kisten für Afrika zu packen und mit den Buchstaben ASB (Albert-Schweitzer-Bresslau) zu versehen.

Einer nicht ganz so großen Anstrengung, aber doch auch einer Herausforderung unterlagen unsere Leiterin, Frau Miriam Böhnert, und ihre MitstreiterInnen. Im Vorfeld des 34. Deutschen Evangelischen Kirchentages in Hamburg hatten sie unzählige Pakete mit Prospekten, Büchern u.a. zu packen und diese äußerlich kenntlich zu machen. Auch die beiden großen bedruckten Stoffbahnen für die Wandgestaltung, erstmalig beim Kirchentag in Dresden (2011) verwendet, mussten für die Präsentation von Frankfurt nach Hamburg möglichst kostengünstig mitgenommen werden. Dankenswerterweise hatte Frau Böhnert jemanden gefunden, der die Materialien vom DASZ nach Hamburg direkt in die Messehalle brachte und diese später auch wieder nach Frankfurt mitnahm.

Hilfreiche, geschickte Hände bauten am Nachmittag des 1. Mai den Stand E 39 auf, der den Deutschen Hilfsverein für das Albert-Schweitzer-Spital in Lambarene präsentierte. Am Tage darauf war das Ergebnis für die Öffentlichkeit in Augenschein zu nehmen.

Am ersten Vormittag wagten sich nur wenige Personen in die Ausstellungshalle, entsprechend gering war auch der Zulauf zu unserem Stand. Doch mit Verlauf des Tages kam Bewegung in die Halle und auch zu uns bewegte sich der Besucherstrom, und dabei ereigneten sich interessante Gespräche. Nicht ohne Stolz erzählte ein Mann in den besten Jahren, er sei in seiner Kindheit Albert Schweitzer persönlich begegnet. Sein Onkel habe den Urwaldarzt für den Friedenspreis des deutschen Buchhandels in der Paulskirche (16. September 1951) vorgeschlagen.

Eine ältere Besucherin, Mitglied unseres Vereins, brachte Rundbriefe zurück, die sie doppelt hatte. Die Neuerscheinungen zu Schweitzer weckten ihr Interesse. Wiederholt wurde nach Unterrichtsmaterial für die Oberstufe gefragt, es müsse digital einsetzbar sein, so hätten die Schülerinnen und Schüler es gerne.

Lange ließ eine deutsche Ärztin, die seit Jahren in England arbeitet, ihre Augen über den Büchertisch schweifen. Sie war fasziniert von der Fülle der Titel, die das Motto des Kirchentages widerspiegelte: Soviel du brauchst (2. Mose 16,18). Schließlich gab sie preis, sie habe ihrer Doktorarbeit ein Zitat von Albert Schweitzer vorangestellt.

Zweimal kamen Besucher vorbei, die zuvor auf dem Kirchentag den Liederdichter Gerhard Schöne (aus Berlin) erlebt hatten. Zwischen den musikalischen Vorträgen, einem Wechselspiel von Orgel und Saxofon, habe er Verse von Albert Schweitzer zitiert. Diese beeindruckende Symbiose von Musik und Text hatte auch mich in Dresden (2011) sehr berührt.

Häufig wurde nachgefragt, wie es denn heute in Lambarene aussieht und wie groß das Areal sei, das Schweitzer bebaut habe. Wie gut, wenn dann jemand präsent ist, der Auskunft geben kann.

Lange verweilten an unserem Stand einige Schülerinnen und Schüler eines Heidelberger Gymnasiums. Ihr Lehrer, der sich später auch noch einstellte, hatte gesellschaftspolitische Fragen mit Schweitzers Ethik beantwortet.

Besonders bewegend sind Momente, wenn Kinder nachfragen: Wer ist denn Albert Schweitzer? Eine Schülerin der 6. Klasse eines Albert-Schweitzer-Gymnasiums stellte diese Frage. Ein etwa gleichaltriges Mädchen hatte sich hingegen schon daheim mit dem Urwaldarzt beschäftigt. Interessiert schaute sie in verschiedene ausgelegte Schriften. Doch drei Euro können in diesem Lebensalter schon nicht mehr vorhanden sein, um sich ein Heft zu kaufen. Wie gut, wenn dann einem so aufgeschlossenen jungen Menschen dies geschenkt wird!

Auch die Bücherlisten und die kostenlosen Lesezeichen mit Schweitzer-Zitaten fanden guten Zuspruch. Als persönlicher Denkanstoß oder für Gruppenarbeit in der Schule und Gemeinde wurden sie gerne mitgenommen.

Auch wenn es nicht wie 1995 auf dem Kirchentag in Hamburg einen „Liturgischen Tag zu Albert Schweitzer“ gab, so ist zu sagen, der Theologe, Philosoph und Arzt war bezüglich seiner Ethik überall präsent. Sowohl in den Podiumsdiskussionen, wo es um soziale Gerechtigkeit und Frieden ging, als auch auf dem Markt der Möglichkeiten, wo viele Stände davon Zeugnis ablegten, dass die Ehrfurcht vor dem Leben gelebt wird. Aber auch das Miteinander der Kirchentagsteilnehmer auf der Straße, in den U- und S-Bahnen ließ dies erkennen. Meine Beobachtungen wurden mir von Einheimischen der Hansestadt bestätigt.

Was bleibt, ist eine große Dankbarkeit für das, was in Hamburg erfahrbar war. Auch wir, die wir den Stand des Hilfsvereins betreut hatten, wurden bereichert durch die vielen Gespräche und Begegnungen.