„Die Überzeugung, dass wir im Leben darum zu ringen haben, so denkend und so empfindend zu bleiben, wie wir es in der Jugend waren, hat mich wie ein treuer Begleiter auf meinem Wege begleitet.“ Albert Schweitzer
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
„Ehrfurcht vor dem Leben“ wird keinem Menschen in die Wiege gelegt. Auch einem Albert Schweitzer nicht. Er selbst berichtet in seinen Kindheitserinnerungen, wie er anfangs nicht anders als seine Kameraden von Neugier und Abenteuerlust getrieben andere Lebewesen drangsalierte. Aber im Unterschied zu den meisten seiner Altersgenossen ließ ihn das von ihm verursachte Leid der Tiere vor seinem grausamen Tun zurückschrecken. Es brachte ihn zur Besinnung darüber, dass wir ohne Not, aus Gedankenlosigkeit oder gar zum bloßen Vergnügen kein Leid über unsere Mitlebewesen, welcher Art sie auch sein mögen, bringen dürfen. Der nachstehende Auszug aus Schweitzers Erinnerungen legt ein anschauliches Zeugnis davon ab.
Bei den meisten Kindern wird man wohl auf ein solches selbständiges Nachdenken, das aus der Betroffenheit über Schmerz und Leid anderer Lebewesen erwächst, vergeblich warten. Hier sind wir Erwachsenen gefordert, sofern wir gewollt oder ungewollt auf Kinder und Jugendliche Einfluss nehmen. Das Mitempfinden von Freud oder Leid anderer Lebewesen, die Sensibilisierung für deren Lebensbedürfnisse und die daraus resultierende Achtsamkeit im Umgang mit dem uns umgebenden Leben entwickeln sich nicht gleichsam „von selbst“, sondern bedürfen einer bewussten erzieherischen Bemühung. Dabei machen wir immer wieder die erfreuliche Erfahrung, dass uns die Kinder durchaus entgegenkommen. Viel leichter als Erwachsene sind sie emotional ansprechbar und bereit, eigene problematische Gewohnheiten und Gedankenlosigkeiten im Verhältnis zu anderen Lebewesen zu hinterfragen. Dass dabei „Ehrfurcht vor dem Leben“ keine verstaubte Floskel bleibt, sondern schon bei Grundschülerinnen und -schülern mit eigenem Leben und Erleben gefüllt werden kann, mögen ferner die ergänzenden Einblicke in die Unterrichtsarbeit zeigen.
Es bleibt allein schon um der Zukunft unserer Kinder willen zu wünschen, dass sich die Lehrkräfte an den Schulen dieser grundlegend wichtigen Aufgabe einer Erziehung zur Ehrfurcht vor dem Leben verstärkt annehmen. Aber nicht weniger bleibt zu hoffen, dass jeder Erwachsene seinen eigenen Beitrag dazu leistet, nicht nur bei den eigenen, sondern auch bei der Begegnung mit fremden Kindern und Jugendlichen.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr Dr. Gottfried Schüz, Vorsitzender