Von Roland Wolf
Unter den in Lambarene anzutreffenden Infektionskrankheiten ist die Buruli-Krankheit (siehe Informationen dazu im Anhang) eine der auffallendsten. Fast bei jedem Besuch im Krankenpavillon der Chirurgie begegnet man einem oder mehreren Patienten, die an diesen abstoßend wirkenden Geschwüren leiden.
Bereits früher war ich auf zum Teil tragische Fälle gestoßen, vor allem bei Kindern oder Jugendlichen. Über Raël, der mehr als zwei Jahre im Schweitzer-Spital verbrachte, den größten Teil davon ohne jegliche Unterstützung durch die Familie, habe ich seinerzeit berichtet (ASA Dezember 2008). Obwohl die Geschwüre an beiden Unterschenkeln nicht ausgeheilt waren und sich weiter ins Fleisch fraßen, haben ihn die Angehörigen doch eines Tages abgeholt. Dass sie die Rechnung für den langen Krankenhausaufenthalt und die Behandlungen nicht bezahlen konnten, ist wenig überraschend.
Da die Patienten in der Regel zu spät ins Spital kommen, sind Langzeitbehandlungen mit mehreren chirurgischen Eingriffen an der Tagesordnung. Auch wenn die Familie krankenversichert ist – seit 2009 gibt es für alle sozialen Kategorien eine staatliche Krankenversicherung mit nach Einkommen gestaffelten Beiträgen und einem 20-prozentigen Eigenanteil an den anfallenden Kosten für Behandlung und Medikamente -, kann die Krankenhausrechnung oft nicht oder nur zum Teil bezahlt werden. Zumal die Krankenkasse CNAMGS bei Buruli nur bis zu einem Betrag von 500.000 Francs, etwa 760 Euro, erstattet. Was darüber hinausgeht, muss der Patient zusätzlich zu seinem Eigenanteil zahlen. Kann er das nicht, bleibt die Rechnung offen. Und zahlreiche Patienten vor allem im Landesinnern besitzen trotz der Bemühungen des Staates, auch sie zu erreichen, keinerlei Versicherung.
Für diese Menschen springen nun die Spender ein, die es mit ihren Spenden ermöglichen, dass das Albert-Schweitzer-Spital das Werk seines Gründers fortsetzen und leidende bedürftige Menschen ärztlich versorgen kann.
Ende des vergangenen Jahres hat der DHV beschlossen, einen mit 10.000 Euro ausgestatteten Buruli-Fonds einzurichten, aus dem die unbezahlten Rechnungen bedürftiger Buruli-Kranker dem Spital erstattet werden sollen. Diese Unterstützung erfolgt projekt- und fallbezogen, das heißt die zur Verfügung stehende Summe wird nicht pauschal, sondern jeweils erst nach Prüfung der Krankenakten in Teilbeträgen an das Spital überwiesen.
Bei meinem Aufenthalt im April dieses Jahres hatte ich die Fälle der ersten vier Monate ermittelt, und wir konnten dem Krankenhaus 3.100 Euro erstatten. Im Juli war ich dann weiteren Buruli-Kranken begegnet, diesmal überraschenderweise vor allem Erwachsenen. Annie, eine ältere Dame, bei der die Krankheit schon ziemlich weit fortgeschritten war, antwortete auf meine Frage, warum sie nicht früher ins Krankenhaus gekommen sei, ihr Mann habe sich dagegen gesträubt. Erst nach seinem Tod sei sie nun aus Libreville nach Lambarene gekommen, um sich behandeln zu lassen. Über eine Krankenversicherung verfüge sie nicht, die Behandlungskosten könne sie nur zu einem geringen Teil zahlen.
Sie blieb 57 Tage im Spital, ihr Zimmernachbar René sogar 101 Tage. Und dessen Rechnung von 1.130.000 Francs (ca. 1.720 Euro) überstieg bei weitem den Erstattungsbetrag seiner Krankenversicherung. Den Rest konnte auch er natürlich nicht zahlen.
Bis Ende September waren so für die beiden und einen dritten Fall weitere 3.300 Euro an Kosten für das Spital zusammengekommen, die der DHV aus dem Buruli-Fonds erstatten konnte. Es ist das Geld unserer Vereinsmitglieder und Spender, das hier wirklich bedürftigen Menschen zugutekommt. Wir hoffen, dass Sie uns durch Ihre Spende ermöglichen, dieses Projekt, das ganz im Sinne des Spitalgründers ist, auch im kommenden Jahr fortzusetzen.
Anhang: Buruli-Geschwüre
Die Krankheit der Buruli-Geschwüre ist eine seltenere geschwürartige Erkrankung der Haut, die in Afrika, Australien, Süd-Ost-Asien und Mittel-/Süd-Amerika vorkommt. In über der Hälfte der Fälle sind Kinder unter 15 Jahren betroffen. Häufige Folgen sind Verstümmelung der Gliedmaßen.
1897 wurde die Erkrankung zum ersten Mal beschrieben, benannt ist sie nach einem District in Uganda, in dem es 1960 eine Häufung von Fällen gab. Das verursachende Bakterium – Mykobacterium ulcerans – gehört zur Familie der Tuberkulose und Lepra. Auch Schweitzer hat diese Erkrankung bereits gekannt und behandelt. Seinen Beschreibungen nach hat er sie wohl „phagedänische Geschwüre“ genannt.
Die Buruli-Geschwüre beginnen mit einer schmerzlosen Infiltration der Haut, die oft unbemerkt bleibt. Das Bakterium bildet ein Toxin, das das Gewebe der Haut und Unterhaut zersetzen kann und das Immunsystem hemmt. Daher kommt es weder zu Entzündungsreaktionen, Schmerzen noch Fieber. Es bilden sich kleine Wunden, die zu großen Geschwüren auswachsen können, welche in vielen Fällen zu Verstümmelungen führen. In 50% der Fälle liegt bei der Diagnose der Krankheit bereits eine bleibende Verstümmelung vor. Dies führt in manchen ländlichen Regionen zur Stigmatisierung von so genannten „Aussätzigen“.
Der Übertragungsweg ist noch nicht gänzlich verstanden. Wir wissen aber, dass sie in Gebieten mit stehenden Gewässern vorkommt. Meistens sind die im Wasser befindlichen Beine der Patienten betroffen. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch wurde bisher nicht beobachtet.
Behandelt werden kann die Erkrankung durch monatelange antibiotische Therapie und z. T. großflächige Operationen. Eine ausreichende Prävention gibt es nicht. Eine neue Behandlungsmethode wurde in Kamerun gemeinsam mit dem Tropeninstitut in Heidelberg entwickelt. Dabei wird über 8 Stunden am Tag konstant ein Wärmeverband mit einer Temperatur von 40°C angelegt, da die Bakterien bei dauerhaften Temperaturen über 33°C nicht überleben. Dies verspricht Hoffnung für die Zukunft.