DASZ Dauerausstellung (Flyer)

Flyer-PDF herunterladen

Albert Schweitzer:
Grenzenlose Menschlichkeit im Denken und Handeln

Informationen zur Dauerausstellung

„Ehrfurcht vor dem Leben bedeutet: Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“

Albert Schweitzer gehört zu den bedeutendsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Als Theologe, Musiker und Philosoph verfasste er wegweisende wissenschaftliche Werke. Ferner wurde er als Organist und Bach-Interpret weltweit bekannt.

Nach einem zusätzlichen Medizinstudium baute er in Afrika ein Spital auf, das bis heute besteht. Er begründete eine universell gültige Ethik der Verantwortung für alles Leben und kämpfte noch im hohen Alter für atomare Abrüstung und Frieden in der Welt.

Schweitzers Denken und Handeln bilden eine glaubwürdige Einheit. Angesichts der allgegenwärtigen Bedrohung der Schöpfung ist seine Botschaft an die Menschheit aktueller denn je.

Ein außergewöhnlicher Lebensweg
Ein herausragendes Lebenswerk

Albert Schweitzer war zeitlebens zwischen den Kontinenten unterwegs. Grenzen zu überschreiten, charakterisierte nicht nur sein außergewöhnlicher Schritt, eine Doppelkarriere als Professor und Musiker aufzugeben, um Medizin zu studieren und in Äquatorialafrika ein Spital aufzubauen. Grenzen zu überschreiten entsprach auch dem Wesenskern seines Denkens. In der Theologie hat er mit seiner Deutung des geschichtlichen Jesu als ethische Persönlichkeit ebenso neue Wege beschritten wie in der Bachinterpretation oder ganz grundsätzlich in seinem philosophischen Denken. Letzteres begründete eine universell gültige Ehrfurchtsethik, die jedem von uns eine grenzenlose Verantwortung für alles, was lebt, vor Augen führt.

Dieser Wesenszug eines grenzüberschreitenden Unterwegsseins findet sich symbolisch verdichtet in Schweitzers Reisekoffer, der als originales Objekt im Zentrum der Ausstellung steht. So wird auch der Besucher eingeladen, sich auf den Weg zu machen, um an einer biografischen Eingangsstation und acht Begegnungs- und Erfahrungsstationen Leben und Werk Schweitzers zu erkunden.

Neben anschaulicher musealer Präsentation und Information werden dem Besucher an den einzelnen thematischen Stationen persönliche Begegnungsmöglichkeiten eröffnet: Bild, Wort, Ton und Interaktion regen zu einer persönlichen Auseinandersetzung mit Schweitzers Lebenswerk an, wobei insbesondere die jüngere Generation angesprochen wird.

Hierzu dienen unter anderem Hörstationen mit Originalaufzeichnungen von Orgelkonzerten und Vorträgen Schweitzers ebenso wie Auszüge aus seinem Leben und Denken in Film und Ton. An Interaktionstafeln mit Magnetelementen erhält der Besucher ferner Gelegenheit, sich mit grundlegenden Denkansätzen seiner Ethik und deren Aktualität auseinanderzusetzen.

Zahlreiche Vitrinen zeigen erstmals Originalbriefe sowie Bild- und Textdokumente, die Stationen in Schweitzers Denken und Wirken veranschaulichen.

Brettspiele, Kreuzworträtsel und ein PC-Quiz regen schließlich dazu an, das Erfahrene zu überprüfen und zu vertiefen.

Musiker, Orgelexperte und Wiederentdecker Bachs

„Sie können sich nicht vorstellen, wie ich mich freue, Sie Bach hören zu lassen in der vertieften Interpretation, zu der ich in der Einsamkeit Afrikas gelangt bin.“

Schon als Kind vertrat Albert Schweitzer den Organisten in seiner Günsbacher Heimatkirche. Nach Orgelunterricht bei Eugen und Ernst Münch und später bei dem Pariser Orgelvirtuosen Charles Marie Widor entwickelte sich Schweitzer zu einem der großen Organisten seiner Zeit.

Durch ihn erfährt das Werk Johann Sebastian Bachs eine völlig neue Interpretation. Er sieht darin „das Gefühlsmäßige wie das Bildliche … mit größtmöglicher Lebendigkeit und Deutlichkeit in dem Material der Töne wiedergegeben“.

Neben dem Orgelspiel beschäftigte sich Schweitzer eingehend mit dem Orgelbau. Er war europaweit ein gefragter Experte für die Renovierung alter und den Bau neuer Orgeln. Mit zahlreichen Orgelkonzerten in ganz Europa finanzierte er zu einem wesentlichen Teil den Aufbau seines Lambarene-Spitals.

Theologe, Prediger, freier Christ

„Das, worauf es ankommt, ist, dass der Geist Jesu als Geist des Verstehens und der Liebe in die Welt komme und in ihr mächtig werde.“

Sein Berufziel, wie sein Vater Pfarrer zu werden, war spätestens mit dem Antritt des Theologiestudiums vorgezeichnet. Nach dem theologischen Examen trat er als Vikar an St. Nicolai in Straßburg das Predigtamt an. Daneben setzte er seine wissenschaftlichen Studien fort, die vor allem der Frage nach dem historischen Jesus galten. Bei allem theologischen Forschungsinteresse blieb ihm das sonntägliche Predigen zeitlebens ein Herzensanliegen. Für Schweitzers Verständnis von Religion und Glaube ist ein Menschsein im Sinne Jesu entscheidend. Er sah sich der „Idee eines frei gestalteten Christentums“ verpflichtet. Nicht auf Unterwerfung unter dogmatische Glaubenssätze, sondern auf „Hingebung an die Liebe Jesu“ kam es ihm an. Christsein muss sich in tätiger Nächstenliebe bewähren, die aus der „Willensgemeinschaft mit Jesus“ erwächst. In der helfenden Hingabe an Mitmenschen und Mitgeschöpfe werden wir zu „Mitarbeitern“ am Reich Gottes.

Helene Schweitzer, der „treueste Kamerad“

„Wir wollen miteinander für etwas leben.“

„Ohne sie wäre niemals etwas aus meinen Plänen geworden“ – würdigte Albert Schweitzer im Rückblick die Bedeutung seiner Ehefrau Helene für den Aufbau seines Urwald-Spitals. Die am 25. Januar 1879 in Berlin geborene Tochter des angesehenen Universitätsprofessors für Geschichte Dr. Harry Bresslau lässt schon durch ihren Bildungsweg ihre vielseitige Begabung und tiefe humanitäre Gesinnung erkennen: Nach Lehrerinnenexamen, Studien der Musik und Kunstgeschichte sowie einer Ausbildung zur Krankenschwester betreute sie jahrelang als Sozialarbeiterin in Straßburg Waisenkinder und wurde Mitbegründerin eines Heims für hilfsbedürftige werdende Mütter.

Seit 1898 war sie mit Albert Schweitzer befreundet, mit dem sie die ausgeprägte Verantwortung für Arme und Benachteiligte verband. Dies spiegelt sich auch in ihrem regen Briefwechsel. Zudem wurde ihm Helene eine unentbehrliche Helferin bei der sprachlichen Überarbeitung seiner Predigten und Buchmanuskripte. Im Juni 1912 fand die von Eltern und Freunden schon lange erwartete Hochzeit statt.

Spitalgründer und Arzt in Lambarene

„Arzt wollte ich werden, um ohne irgendein Reden wirken zu können.“

Der Theologieprofessor und Prediger Albert Schweitzer wollte nicht länger nur von der „Religion der Liebe“ reden, sondern sie im Tun verwirklichen. Nach einigen Umwegen wurde er auf einen Aufruf der Pariser Missionsgesellschaft aufmerksam, die für die französische Kolonie Gabun dringend Ärzte suchte.

So entschloss sich Schweitzer zum Medizinstudium, das er in den Jahren 1905–1911 absolvierte. Daneben führte er seine theologische Lehrtätigkeit, Predigtamt sowie Konfirmandenunterricht fort, schrieb seine umfangreichen Werke über Jesus und Bach und gab weiter Orgelkonzerte. Nach Staatsexamen und praktischem Klinikjahr wurde er 1913 mit der Arbeit „Die psychiatrische Beurteilung Jesu“ zum Dr. med. promoviert.

Kurz darauf trat er, begleitet von seiner Frau Helene, die lange Reise nach Afrika an, mit 70 Kisten zur medizinischen und haushaltstechnischen Grundversorgung. Finanziert hatte er die Ausrüstung mit Spenden aus dem Kollegen- und Freundeskreis sowie Konzert- und Vortragshonoraren.

„Das ist eine gute Hütte, Doktor.“

Der dreifache Neuaufbau des Spitals in den Jahren 1913 bis 1927

Im Spätherbst 1913 konnte der Hühnerstall als Behandlungsraum durch eine Wellblechbaracke am Ufer des Ogowe ersetzt werden. Es folgten größere Bambushütten zur Unterbringung der eingeborenen Kranken. Bei allen Bauarbeiten zur Erweiterung des Spitals war Schweitzer stets Architekt und Vorarbeiter in einem.

Im Ersten Weltkrieg wurden Albert und Helene Schweitzer in der französischen Kolonie Gabun als feindliche Ausländer betrachtet und daher 1917–18 in Frankreich gefangengesetzt. Anfang der 20er Jahre gelang es ihm, für eine Rückkehr nach Lambarene über Konzerte und Vorträge, vor allem in Schweden, das nötige Geld zu sammeln.

Im Frühjahr 1924 kehrte Schweitzer nach Lambarene zurück, um das inzwischen zerstörte Spital wieder aufzubauen. Währenddessen verdreifachte sich die Patientenzahl auf 150, was bereits 1925 ein neues Spital drei Kilometer stromaufwärts notwendig machte, diesmal aus beständigen Wellblechbauten. Um das neue, nunmehr „dritte“ Spital herum legte er ferner einen Garten zur Unterstützung der stets knappen Nahrungsversorgung an.

„Das Werk des Doktor Albert Schweitzer wird nicht sterben!“

Ein unaufhaltsam wachsendes Spitaldorf: Lambarene von 1929 bis heute

1929 bis zu seinem Tod 1965 folgten noch zwölf weitere Afrika-Aufenthalte Albert Schweitzers, unterbrochen meist von Vortrags- und Konzertreisen in Europa, womit er das Spital finanzierte. Die unaufhörlich wachsende Zahl der Patienten machte einen ständigen Ausbau des Spitals erforderlich: 1965 war das Spital unter seiner Anleitung auf über 70 Gebäude angewachsen. Darunter eine Säuglings- und Kinderstation und ein eigenes Dorf für Lepra-Kranke. Kurz vor seinem Tod übertrug Schweitzer die Spitalverwaltung seiner Tochter Rhena, die ärztliche Leitung Dr. Walter Munz.

Die drohende Schließung des Krankenhausbetriebs wegen Geldmangel konnte 1975 gerade noch verhindert werden. Mit Unterstützung des Staates Gabun wurde schließlich eine völlig neue Klinik erbaut, die dem modernen europäischen Standard entspricht. Sie wird heute von einer internationalen Trägerstiftung geleitet und anteilig von Spendengeldern, unter anderem auch des Deutschen Hilfsvereins in Frankfurt am Main, und dem Staat Gabun unterhalten.

Der Kulturphilosoph Albert Schweitzer

„Wahre Kultur ist etwas Geistiges und Ethisches, nämlich die edelste und tiefste Menschlichkeit.“

Schon seit der Wende zum 20. Jahrhundert bedrückte Albert Schweitzer seine große Sorge um die allgemeine Kulturentwicklung. Mit dem wissenschaftlichen und technischen Fortschritt sah er eine zunehmende „Humanitätslosigkeit“, ja einen „Verfall der Kultur“ einhergehen, der in die Katastrophe des Ersten Weltkrieges einmündete.

Sein geistiges Ringen war auf einen „Wiederaufbau der Kultur“ gerichtet. Nicht das materielle Wohl, sondern „das geistige Wohl des Ganzen und der Vielen“ müsse bestimmend werden. „Der ethische Fortschritt ist also das Wesentliche und das Eindeutige, der materielle das weniger Wesentliche und das Zweifelhafte in der Kulturentwicklung“.

Wie aber kann sich die Kultur im ethischen Sinne erneuern?

Begründer einer universellen Ethik

„Ich rufe die Menschheit auf zur Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben. Diese Ethik macht keinen Unterschied zwischen wertvollem und weniger wertvollem, höherem und niederem Leben.“

Albert Schweitzer schreibt in „Aus meinem Leben und Denken“ von seiner geradezu quälenden Suche nach einem Grundbegriff für eine „Dauerhabende, tiefere und lebendigere ethische Kultur“. Diese sollte nicht nur für die Beziehung zum anderen Menschen gelten, sondern alle Lebewesen einbeziehen.

Er berichtet, wie ihm in der Situation seiner Ratlosigkeit bei einer Fahrt auf dem Ogowe 1915 plötzlich das Wort „Ehrfurcht vor dem Leben“ in den Sinn kam. Zugleich ging ihm auf, dass dieses Wort eine Ethik in sich trägt, die alles Bisherige hinter sich lässt: Sie beschränkt sich nicht mehr nur auf das Verhältnis des Menschen zum Mitmenschen, sondern sie umfasst alles Leben.

Aus der Idee der Verbundenheit mit allen Lebewesen gelangen wir in ein „geistiges Verhältnis zum Universum“.

Mahner für den Frieden

„Ich bekenne mich zu der Überzeugung, dass wir das Problem des Friedens nur dann lösen werden, wenn wir den Krieg aus einem ethischen Grunde verwerfen, nämlich weil er uns der Unmenschlichkeit schuldig werden lässt.“

In seinen Friedensappellen warnte der über 80-jährige Schweitzer nicht nur eindringlich vor einem Atomkrieg. Ihm ging es um die grundsätzliche Ächtung von militärischer Waffengewalt als Mittel der Politik: „Das Ziel, auf das von jetzt bis in alle Zukunft der Blick gerichtet bleiben muss, ist, dass die Entscheidung in völkerentzweienden Fragen nicht mehr Kriegen überlassen bleibt, sondern friedlich gefunden werden muss.“

Für sein engagiertes Eintreten für Frieden und Verständigung weltweit erhielt Schweitzer zahlreiche Auszeichnungen – unter anderem den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (1951) sowie den Friedensnobel preis für 1952, den er 1954 in Oslo entgegennahm.

Frankfurter Stationen

„Frankfurt hat gleich einen besonderen Zauber auf mich ausgeübt.“

Albert Schweitzer hat Frankfurt mehr als zwanzigmal zu Konzerten, Vorträgen und Preisverleihungen besucht. Ein besonderes Ereignis war die Verleihung des Goethepreises im Goethehaus am 28. August 1928, mit Hilfe dessen er sich ein Haus in seinem Heimatort Günsbach erbauen konnte. Während des Zweiten Weltkrieges blieb Schweitzer Deutschland fern. Er besuchte Frankfurt erst wieder am 16. September 1951, als ihm in der Paulskirche der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen wurde. Im gleichen Jahr erfolgte die Umbenennung der „Schule am Berkersheimer Weg“ in „Albert-Schweitzer-Schule“. Ebenso erhielt die bis dahin größte Wohnsiedlung nach dem Kriege in Eschersheim seinen Namen. Am 9. Oktober 1959 wurde Albert Schweitzer die Ehrenbürgerwürde der Stadt Frankfurt verliehen.