Von Einhard Weber
„Die Welt trauert um Albert Schweitzer“, so eilten die Meldungen der internationalen Presseagenturen um die Welt, als am 4. September 1965 Albert Schweitzer in seinem Urwaldspital starb. Eine Woche vor seinem Tod, am Freitag, dem 27. August ging er noch einmal mit einer Mitarbeiterin aus seinem Haus, um den Platz seines Grabes zu bestimmen und am Abend hielt er noch die letzte seiner bewegenden Tischreden zum Geburtstag seiner deutschen Helferin Agnes Bönder.
Am nächsten Tag ließ er sich mit dem Jeep zum Lepradorf fahren. Aber bereits am Nachmittag wurde er so schwach, dass er bettlägerig wurde. In den nächsten Tagen wurde es auf Grund der Nachricht, dass es dem Doktor schlecht gehe, im ganzen Spital sehr ruhig.
Am Freitag, dem 3. September ließ Schweitzers medizinischer Nachfolger Dr. Walter Munz Angestellte, Mitarbeiter, Afrikanerinnen und Afrikaner und auch Patienten in kleinen Gruppen in das Sterbezimmer, damit sie Abschied nehmen konnten. Gegen 19 Uhr legte ihm sein langjähriger vertrauter Mitarbeiter Siegfried Neukirch die Schallplatte mit dem Andante aus der 5. Sinfonie von Beethoven auf.
Am nächsten Morgen ging es Albert Schweitzer zunehmend schlechter. An diesem letzten Abend sangen die Eingeborenen traurige Lieder. Später ging ein schwerer Regen nieder und um 23.25 Uhr das Leben dieses großen Menschen zu Ende.
Bereits am nächsten Morgen begann ein Strom von Gästen zur Trauerfeier. Gruppen von Afrikanern von nah und fern, Angehörige der Missionsstationen, Abgeordnete der Regierung, Botschafter und hohe Beamte, z. T. per Flugzeug, kamen zur Trauerfeier, die um 15 Uhr begann.
Beileidskundgebungen aus aller Welt erreichten Albert Schweitzers Tochter Rhena Schweitzer-Miller. Hier einige Beispiele aus hunderten von Telegrammen:
Präsident Johnson schrieb: “Während eines halben Jahrhunderts, das unter dem Eindruck blutiger Kriege stand, hat uns Albert Schweitzer durch sein Leben und sein Werk an das erinnert, was wirklich von Bedeutung ist: Dass die Kranken genesen, dass das Erbe unserer Religion und unserer Kultur geachtet und an unsere Nachkommen überliefert werde, dass die Menschen aller Rassen in der Welt Brüder und Kinder Gottes sind. Damit hat er allen gedient. Seine Botschaft und sein Beispiel, welche die dunkelsten Stunden unseres Jahrhunderts erhellen, werden alle jene, die sich bemühen, eine Welt des Friedens und der Brüderlichkeit aufzubauen, auch weiterhin ermutigen.“
Papst Paul VI. lies durch seinen Vatikan-Staatssekretär Kardinal Cicognani sein Mitgefühl mit folgenden Worten übermitteln: „Der Heilige Vater hat mit Schmerz vom Ableben Dr. Schweitzers gehört, dessen Existenz er schätzte. Er hofft, dass sein edles Beispiel – dem schon so viele Missionare mit großzügiger Hingabe folgten – immer ein fruchtbarer Weg zur menschlichen und christlichen Brüderlichkeit für viele andere sein wird!“
Bundeskanzler Ludwig Erhard: „Albert Schweitzer, der Helfer und Arzt, ist zum Lehrmeister und Vorbild aller geworden.“
Neben den zahllosen Äußerungen offizieller und berühmter Zeitgenossen sind vor allen die Aussagen von Patienten und Mitarbeitern von Bedeutung. Dazu ein Beispiel:
Colaume Daniel, ein Leprakranker, schrieb zum Tod von Albert Schweitzer nachstehenden Brief, der hier in der Übersetzung von Siegfried Neukirch wiedergegeben wird:
Ich bin 1953 ins Spital Schweitzer gekommen. Ich war von der Lepra befallen. Der Grand Docteur hat mich wie einen Sohn aufgenommen, und er hat alles für meine Genesung getan. Ich dagegen dachte, als er mich behandelte, dass er mich quälen wollte, und dabei wollte er meine Schmerzen lindern. Sie wissen, das Leben ist für einen Menschen schwierig. Man kann alles tun, um ihn von Schmerzen zu befreien, er dagegen denkt, dass man ihn töten möchte.
Im Spital bin ich wie in meinem Dorf. Ich hatte alles, was ich brauchte. Haus, Bett, Essensration, Seife, Kerosin, Kleider und außerdem Medikamente, die besonders teuer sind. Der Bau des Lepradorfes wurde 1953 mit Mlle Emma begonnen, die auch unsere Mutter war. Mlle Emma war für uns ein Mensch, den es nur einmal gibt. Sie ist 1957 nach Europa zurückgekehrt, wo sie im Juli gestorben ist. Wir tragen den Schmerz, dass sie nicht mehr bei uns ist. Wenn der Grand Docteur nach Europa reiste, übernahm Mlle Emma alles und erfüllte alle Aufgaben, als wäre sie der Grand Docteur. Als wir Mlle Emma verloren hatten, tat uns der Grand Docteur leid, da er mit uns allein war.
Der Grand Docteur war nicht einen Tag müde. Aber als ich ihn das letzte Mal auf seinem Bett sah, schlug das Herz kaum noch. Wir waren wirklich tief ergriffen, den, der immer mit uns war, in einem solchen Zustand liegen zu sehen. Als er uns in der Nacht um 11.30 Uhr verließ, überkam uns eine tiefe Angst, und wir waren alle durch den unvorhergesehenen Verlust entmutigt. Wir sind zutiefst betrübt, dass wir einen solchen Menschen verloren haben, den wir in unserem ganzen Leben nicht mehr wieder haben werden.
Mlle Ali, wir beten zu Gott, dass Sie ein Herz des Mitleids mit unserem Leiden und ein reines Herz haben mögen.
Und dann bitten wir Gott, dass wir das Werk, das der Doktor Schweitzer hinterlassen hat, fortsetzen können. Wir möchten, dass der Doktor Schweitzer im Reich Gottes ist.
Colaume Daniel im Dorf des Lichtes (Lepradorf)