Begründer einer universellen Ethik
„Ich rufe die Menschheit auf zur Ethik der Ehrfurcht vordem Leben. Diese Ethik macht keinen Unterschied zwischen wertvollem und weniger wertvollem, höherem und niederem Leben.“
Albert Schweitzer schreibt in „Aus meinem Leben und Denken“ von seiner geradezu quälenden Suche nach einem Grundbegriff für eine „Dauer habende, tiefere und lebendigere ethische Kultur“. Diese sollte nicht nur für die Beziehung zum anderen Menschen gelten, sondern alle Lebewesen einbeziehen.
„Den großen Grundakkord gilt es zu finden, in dem die Dissonanzen dieses verschiedenartig und gegensätzlich Ethischen sich in Harmonie auflösen. Das ethische Problem ist also das Problem des im Denken begründeten Grundprinzips des Sittlichen. Was ist das gemeinsam Gute an dem Mannigfaltigen, das wir als gut empfinden? Gibt es einen solchen allgemeinsten Begriff des Guten? … Welche Macht übt er auf meine Gesinnungen und Handlungen aus?“
Bei allem Bemühen muss sich das Denken eingestehen, dass der Sinn des Lebens nicht aus dem Sinn des Weltgeschehens zu begreifen ist. Für Schweitzer konnte im Ringen um den Grundbegriff des Ethischen nur ein Weg ins Freie führen: Nicht die Betrachtung der Welt, sondern erst die Besinnung auf uns selbst und unser inneres Verhältnis zur Welt und zu dem uns umgebenden Leben. Schweitzer berichtet, wie ihm in der Situation seiner Ratlosigkeit und Suche nach einem ethischenGrundbegriff bei einer Fahrt auf dem Ogowe 1915 plötzlich das Wort „Ehrfurcht vor dem Leben“ in
den Sinn kam. Zugleich ging ihm auf, dass dieses Wort eine Ethik in sich trägt, die alles Bisherige hinter sich lässt: Sie beschränkt sich nicht mehr nur auf das Verhältnis des Menschen zum Mitmenschen, sondern sie umfasst alles Leben.Aus der Idee der Verbundenheit mit allen Lebewesen gelangen wir in ein „geistiges Verhältnis zum Universum“.
„Ethisch werden heißt wahrhaft denkend werden.“
Wie aktuell ist Schweitzers Ethik der Verbundenheit mit allen Wesen?
Angesichts der heutigen ökologischen, sozialen und politisch-wirtschaftlichen Herausforderungen und Probleme ist Albert Schweitzers Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben von höchster Aktualität. Wir sitzen – global betrachtet – alle in einem Boot. Jeder Einzelne muss für sich selbst als „Leben inmitten von Leben“ prüfen, wie weit er in seiner Verantwortung für anderes Leben gehen kann und gehen will.
„Erlebt der Mensch seine Verbundenheit mit allen Wesen, so entspringt daraus die Nötigung zu einem ins Uferlose gehenden Dienen.“ „… In tiefer Ehrfurcht vor dem Leben und in tiefem Empfinden für Weh und Angst haben wir zu suchender Barmherzigkeit zu dienen und Erlösung zu bringen. Wo wir aus Notwendigkeit so oft Leid und Tod über Geschöpfe bringen, müssen wir da, wo wir als Freie handeln dürfen, um so mehr darauf aus sein, sie zu schonen und ihnen Helfer zu sein.“
Die Menschheitsprobleme und gesellschaftlichen Aufgaben, vor denen wir stehen, sind gewaltig. Schweitzers Botschaft ist allerdings nicht, darauf zu warten, dass die mächtigen staatlichen und überstaatlichen Organisationen die Probleme lösen. Jeder Einzelne trägt die Verantwortung, in seinem Umkreis lebenserhaltend tätig zu werden. Und nur über das Wirken der vielen Einzelnen im Kleinen können nachhaltige Verbesserungen der Lebensverhältnisse im Großen erwartet werden.
„Ethik ist ins Grenzenlose erweiterte Verantwortung gegen alles, was lebt.“
Wenn wir aus der Gesinnung der Ehrfurchtsethik handeln, dann können wir „nicht kalt nach ein für allemal festgelegten Prinzipien entscheiden, sondern (müssen) in jedem einzelnen Falle um unsere Humanität kämpfen“. „Als Kompass dient … (hierzu) die Idee der Erhaltung und Förderung von Leben.
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