Verstehen, Verständigen, Vertrauen – Stiftung Aktuell September 2024

„Vertrauen ist für alle Unternehmungen das große Betriebskapital, ohne welches kein nützliches Werk auskommt. Es schafft auf allen Gebieten die Bedingung gedeihlichen Geschehens“.

Albert Schweitzer

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

das entscheidende Fundament für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft ist zunehmend gefährdet: Menschlichkeit im Umgang miteinander. Bedrohung, Beleidigung, Abwertung von Menschen, die sich öffentlich für eine Willkommenskultur für Migrantinnen und Migranten, für angefeindete Minderheiten engagieren oder die gegen Rassismus und Antisemitismus eintreten sehen sich zunehmend Beleidigungen, Hass, Hetze und Lügenpropaganda ausgesetzt oder gar tätlicher Gewalt.

Albert Schweitzer wurde nicht müde, immer wieder an den Geist der Menschlichkeit zu appellieren. Gegen Lebensende bringt er dies in seinem „Wort an die Menschen“ in aller Dringlichkeit zum Ausdruck:

In dieser Zeit, in der Gewalttätigkeit sich hinter der Lüge verbirgt und so unheimlich wie noch nie die Welt beherrscht, bleibe ich dennoch davon überzeugt, daß Wahrheit, Friedfertigkeit und Liebe, Sanftmut und Gütigkeit die Gewalt sind, die über aller Gewalt ist.

Ganz in diesem Sinne hat sich auch der Dichter Hermann Hesse geäußert, bei dem Schweitzers Denken große Zustimmung gefunden hatte:

Mir aber liegt einzig daran, die Welt lieben zu können, sie nicht zu verachten, sie und mich nicht zu hassen, sie und mich und alle Wesen mit Liebe und Bewunderung und Ehrfurcht betrachten zu können.“ (in „Siddhartha“)

Wie aber kann es gelingen, die grundsätzliche Haltung des Misstrauens und der Feindseligkeit gegenüber dem Anderssein des Anderen abzulegen? Worin liegt der entscheidende Schlüssel, das Tor zur Menschlichkeit in Herz und Sinn der Menschen zu öffnen?

Nach Schweitzer ist der Erzfeind jeder Menschlichkeit in der „Gedankenlosigkeit“ zu suchen. Statt sich unreflektiert als Produzent oder „Follower“ abwertender Meinungen und Herabwürdigungen Anderer zu inszenieren, kommt es in erster Linie auf ein „Verstehen“ an. Ein „Verstehen“ der Lebensrechte und Lebensbedürfnisse von Mitmenschen wie auch allen nichtmenschlichen Lebens ist nur über eine lebendige Begegnung, über eine Einfühlung in dessen jeweilige Befindlichkeit und Lebenswelt, über ein Mitfühlen und Miterleben anderen Lebens zu erreichen. Auf dieser Basis kann es dann auch zu einer „Verständigung“ mit dem Anderen kommen. Feindselige Abgrenzung kann so einem Austausch über unterschiedliche Lebenserfahrungen und dem Bewusstsein der Zusammengehörigkeit weichen. Schließlich kann daraus der entscheidende Nährboden wachsen, den Schweitzer als wesentliche Voraussetzung für ein friedliches und menschliches Miteinander ansieht: „Vertrauen“. Wo das Bewusstsein der Verbundenheit mit allem Leben Platz greift, können Misstrauen und Missgunst keinen Raum gewinnen und kann Vertrauen als das wesentliche „Betriebskapital“ menschlichen Miteinanders wachsen.

Sein menschliches Antlitz erhält das Vertrauen gerade auch dann, wenn es nicht abdankt, wo es enttäuscht wird. Vielmehr vermag es sich in einer Atmosphäre der „Liebe, Sanftmut und Gütigkeit“ immer neu zu bewähren.

Von dieser Trias Verstehen – Verständigung – Vertrauen sind auch unsere Projekte zur ethischen Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit getragen, über die wir nachstehend berichten.

Mit herzlichen Grüßen
Ihr Dr. Gottfried Schüz, Vorsitzender

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