Von Einhard Weber
Die Ausgabe des diesjährigen Jahrbuchs steht unter dem Titel „Vergangenheit von Albert Schweitzer – Zukunft mit Albert Schweitzer“. Die Beiträge des Buches schlagen eine Brücke zwischen dem historischen Albert Schweitzer hin zu seiner vielfältigen Bedeutung im Hinblick auf die drängenden Fragen unserer Zeit. So analysiert Hans-Georg Wittig im ersten Artikel schlaglichtartig die Entwicklung des Weltgeschehens bis in unsere von Krisen geschüttelte Zeit. Er stellt dabei fest, dass der Ausweg aus diesen Krisen nur durch eine Haltung gelingen kann, die in der „Ehrfurcht vor dem Leben“ begründet ist. Neben jedem Einzelnen sind hier vor allem das Bildungswesen und die Kirchen gefordert. Mit Hilfe von sechs Stichwort-Paaren skizziert der Autor den Weg zu einer zukunftsfähigen Kirche.
Der junge Kirchenhistoriker Sebastian Moll beschreibt einen „Umschwung im Denken Albert Schweitzers“, der sich nach der in den Jahren 1901 bis 1904 im „Evangelisch-protestantischen Kirchenboten für Elsass und Lothringen“ erschienenen Artikelserie (1988 unter dem Titel „Gespräche über das Neue Testament“ von Winfried Döbertin herausgegeben) ereignet haben soll. Ob sich die These bewähren wird, wird die weitere Schweitzer-Forschung zeigen.
Ein Beitrag von Johann Zürcher beschäftigt sich mit dem wichtigen Problem der Zusammenführung der Ethik des Einzelnen und der Ethik der Gesellschaft sowie den Bedingungen, die dafür nötig sind. Dazu benutzt er Textfragmente, die sicher auch im vierten Band der „Kulturphilosophie“ eine Rolle gespielt hätten. Dieses geplante, aber leider nicht ausgeführte Werk sollte die ganz realen, praktischen Fragen eines zukünftigen Kulturstaates behandeln.
Ein sehr ausführlicher Beitrag von Ary van Wijnen, der mehrere Jahre als Arzt in Lambarene arbeitete, setzt sich mit der „Kritik an Albert Schweitzer in dem letzten Jahrzehnt seines Lebens“ auseinander. Der hochinteressante Text stellt alle Facetten dieser Kritik sehr übersichtlich dar. Zunächst war die Kritik an Albert Schweitzer überwiegend politisch motiviert, nachdem er sich hatte überreden lassen, seine damals weltweit anerkannte, große moralische Autorität gegen die Atomwaffen einzusetzen und öffentlich dagegen Stellung nahm. Die Kritik an Schweitzer war in der Regel stark übertrieben und ihr fehlte in den meisten Fällen jede Grundlage.
Vorstandsmitglied Roland Wolf setzt seine Reihe über Albert Schweitzer „Vor 100 Jahren“ mit den turbulenten Ereignissen des schwierigen Jahres 1912 fort. Zudem berichtet er von der Sitzung der Internationalen Stiftung für das Albert-Schweitzer-Spital im April dieses Jahres.
Erfreulicherweise erhielten wir auch in diesem Jahr erneut interessante Erlebnisberichte über persönliche Begegnungen mit Albert Schweitzer, die wert sind, dokumentiert zu werden.
Des Weiteren enthält das Jahrbuch einen Beitrag von Werner Zager, der über die Ausstellung im Frankfurter Dominikanerkloster „Spurensuche: Albert Schweitzer in Rheinhessen“ berichtet. Unter dem Ausstellungstitel erschien auch ein Band, dessen Herausgeber Andreas Pitz und Werner Zager Schweitzers Besuche in Rheinhessen ausführlich beschreiben. Die Buchausgabe rezensiert darüber hinaus Andreas Rössler. Weitere Buchbesprechungen: Thomas Suermann „Albert Schweitzer als »homo politicus«“ – über das letzte Lebensjahrzehnt von Albert Schweitzer, das verdeutlicht, welche Rolle Schweitzers Engagement in der Anti-Atom-Bewegung spielt. Gottfried Schüz weist noch einmal auf den neuen Katalog unserer Ausstellung hin.
Das Buch enthält auch einen von Miriam M. Böhnert verfassten Nachruf auf Dr. Kurt Schneider, mit dem sie lange im Deutschen Albert-Schweitzer-Zentrum zusammengearbeitet hat.
Der Rundbrief Nr. 104 kann ab sofort beim Deutschen Albert-Schweitzer-Zentrum bestellt werden. Das Buch hat 100 Seiten und ist mit historischen Bilddokumenten aus dem Archiv des DASZ illustriert – ISBN 978-3-9811079-8-2.