Von Walter Schriber
Am 19. April 2011 kam beim Auktionshaus Stargardt in Berlin der Nachlass von Emmy Martin, der Sekretärin und Vertrauten Albert Schweitzers, die die Geschäfte von Günsbach aus abwickelte, zum Ausruf. Dank Mithilfe von Markus Brandes, einem professionellen Autographenhändler aus Kesswil (Bodensee), erhielt unsere Stiftung für insgesamt 87.000 Euro den Zuschlag.
Dabei handelt es sich um rund 1400 eigenhändige Briefe Albert Schweitzers aus den Jahren 1921 bis 1964. Damit spannt sich der Bogen über das gesamte aktive Leben Albert Schweitzers nach dem ersten Weltkrieg bis zu seinem Tod. Viele Briefe sind sehr persönlich und mit „der alte Bery“ unterzeichnet; anfangs gelegentlich auch mit „Winnetu“ – ob sich da ein Hinweis auf eine heimliche Liebe zu Karl May auftut?
Dabei befinden sich auch Postkarten, Brieffragmente, Manuskripte, Schriftstücke, Einlagezettel, Briefdurchschriften aber auch zahlreiche Briefe von Emmy Martin an Albert Schweitzer sowie an Emmy Martin gerichtete Briefe aus Schweitzers engerem Umfeld (Emma Haussknecht, Mathilde Kottmann, Ali Silver etc.). Damit handelt es sich um ein einzigartiges, äußerst reichhaltiges und angesichts der Fülle von Details biographisch bedeutendes Konvolut von Schriftstücken Albert Schweitzers an Emmy Martin, die über Jahrzehnte hin als seine „europäische Statthalterin“ (Steffahn) fungierte und in allen Arbeitsbereichen Schweitzers Wirken im Hintergrund unterstütze: die Korrespondenz führte, bei der Organisation seiner zahlreichen Konzert- und Vortragsreisen half, den Druck seiner Schriften mit überwachte und insbesondere während Schweitzers Aufenthalten in Lambarene für die Beschaffung des medizinischen Geräts und der Medikamente ebenso wie für die Anwerbung des Personals sorgte.
In einer ersten Phase werde ich aufgrund der teilweise persönlichen Schriftstücke eine erste Sichtung vornehmen und ein detailliertes Inventar erstellen. Danach werden die Unterlagen im Zentralarchiv in Günsbach eingelagert.
Gerne füge ich an, dass die Albert-Schweitzer-Stiftung Günsbach-Bern ebenfalls die Restfinanzierung des Albert-Schweitzer-Nachlasses, der in den vergangenen Jahren im BECK-Verlag erschien, übernommen hat. Dabei stand im vergangenen Jahr die Diskussion an, diesen Nachlass eventuell dem freien Markt zuzuführen. Anlässlich verschiedener Gespräche mit den Erben konnte eine für alle Seiten einvernehmliche Lösung gefunden werden, damit das Konvolut nicht in „alle Winde zerstreut“ wird. Dabei bleibt der gesamte Nachlass in der Zentralbibliothek der Universität Zürich eingelagert. Zur Finanzierung von einer Mio. Schweizer Franken hat der Lotterfond des Kantons Zürich Fr. 500.000,- übernommen, verschiedene Stiftungen Fr. 185.000,- und unsere Stiftung den Rest von Fr. 315.000,-. Einmal mehr konnte hier die Stiftung geeint auftreten und dank ihr bleibt sicher der bedeutendste Nachlass Albert Schweitzers zusammen und steht der weiteren Albert-Schweitzer-Forschung offen.
Aus der Zusammenarbeit mit der Zentralbibliothek der Universität Zürich erhoffen wir uns zusätzliche Impulse für die Archivarbeit in Günsbach. Anlässlich eines gemeinsamen Treffens in Günsbach mit Herrn Prof. Dr. Christoph Eggenberger, Leiter der Zentralbibliothek, wurde vereinbart, dass wir von der professionellen Infrastruktur aus Zürich auch in Günsbach profitieren können.