Von Dr. Roland Wolf
Zum ersten Mal hatte ich ihn im Oktober 2016 gesehen. Im Pavillon der Chirurgie lag er auf seinem Bett liegend, den rechten Unterschenkel fixiert, die Operationswunde nicht verheilt. Ich hatte ein paar Worte mit ihm gesprochen, mich aber nicht lange bei ihm aufgehalten, da ich die Buruli-Patienten besuchen wollte.
Im April 2017, als ich erneut auf der Suche nach Buruli-Patienten war, deren unbezahlte Rechnungen der Deutsche Hilfsverein dem Spital erstattet, lag er immer noch da, eine Frau – seine Frau? – kümmerte sich um ihn. Er erzählte mir von einer missglückten Operation in Libreville, in deren Folge er nach Lambarene gekommen sei.
Im Juni desselben Jahres war ich mit zwei Reisegruppen im Spital. Die Führungen ließen mir wenig Zeit, in die Krankensäle zu schauen, aber an einem für die Teilnehmer freien Nachmittag reichte es dann doch noch zu einem kurzen Besuch in der Chirurgie. Und als ich ihn dort immer noch antraf, wurde ich doch neugierig und wollte mehr über ihn wissen.
Er heißt Alain-Joseph und kommt aus der Volksrepublik Kongo. Der in den 1990er Jahren dort wütende Bürgerkrieg hat mehr als 400.000 Menschen das Leben gekostet und Hunderttausende vor ihm fliehen lassen. Mit 2,2 Millionen steht der Kongo-Brazzaville, wie er nach seiner Hauptstadt meist genannt wird, nach Angaben der Vereinten Nationen auf Platz drei der weltweiten Liste der Binnenvertriebenen.
Alain-Joseph ging einen Schritt weiter. Als rivalisierende Milizen sich 1997 vier Monate lang in Brazzaville bekriegten, floh er wie viele seiner Landsleute ins Nachbarland Gabun, wo er als politischer Flüchtling anerkannt wurde. Das Glück schien ihm endlich zu lachen: Er fand eine Arbeit als Lastwagenmechaniker, heiratete eine Gabunerin und war gut in seine neue Umgebung integriert.
Doch dann kam der Januar 2016. Auf der Schnellstraße, die um das Zentrum von Libreville herumführt, wird er von einem Auto angefahren, dessen Fahrer ohne anzuhalten weiterfährt. Mit einem offenen Bruch des rechten Beines wird er ins Zentralkrankenhaus von Libreville eingeliefert und dort operiert. Das Bein wurde äußerlich (mit einem sogenannten Fixateur externe) fixiert, doch nach drei Monaten musste die Fixierung wegen einer Knocheninfektion entfernt werden.
Die Operation und der lange Aufenthalt hatten mittlerweile alle Ersparnisse aufgefressen. Das Hochkommissariat für Flüchtlinge stellte daraufhin den Kontakt mit einer Flüchtlingshilfeorganisation her, die ihn im Juni 2016 an das Albert-Schweitzer-Spital in Lambarene brachte. Auch diese Organisation verfügt nur über begrenzte Mittel, sodass Alain-Joseph nun seit über einem Jahr mittellos im Schweitzer-Krankenhaus liegt und – getreu der Ethik des Spitalgründers – dennoch behandelt wird.
Seine Infektion wurde über einen langen Zeitraum mit Antibiotika behandelt, doch dann hat eine Pseudoarthrose den Knochenaufbau geschwächt, sodass eine Knochentransplantation unternommen werden musste. Das Ergebnis war positiv, doch der Knochen bleibt fragil und benötigt weitere Behandlung bis zu einer endgültigen Vernarbung der Wunde.
Allein in den ersten sieben Monaten des Jahres 2017 hat Alain-Joseph dem Spital Kosten in Höhe von 8.900 € verursacht, die er natürlich nicht selbst begleichen kann. Hier sprang der Deutsche Hilfsverein ein, der dem Krankenhaus die Rechnung im Rahmen seiner Unterstützung der Sozialfälle erstattete.
Fälle wie die des Alain-Joseph Mialembama gibt es immer wieder im Schweitzer-Spital, wenn auch nicht immer so dramatische. Zusammen mit den dauerhaft im Spital und im Lepradorf lebenden Bedürftigen wollen wir sie auch weiterhin unterstützen und so den ethischen Anspruch Albert Schweitzers im Spitalalltag lebendig halten.
Wir hoffen, dass uns unsere treuen Spender dabei unterstützen.