Von Gisela Meister
Das Jahr 2015 war ein Gedenkjahr für Albert Schweitzer gleich in zweifacher Hinsicht: Nicht nur sein Todestag jährte sich zum fünfzigsten Mal. Genau vor einhundert Jahren konzipierte Albert Schweitzer die ersten Ansätze seines großen ethischen Entwurfes der „Ehrfurcht vor dem Leben“. Die Kirchengemeinde und das Evangelische Forum in Ahaus kooperierten in einer Veranstaltungsreihe zum Gedenkjahr 2015.
Pfarrer Willy Bartkowski (Ahaus) und Pfarrer Dr. Manfred Keller (Bochum) nahmen dies zum Anlass für eine Veranstaltungsreihe, die sein Leben als Theologe, Philosoph, Kulturforscher, Musiker und Tropenarzt widerspiegelte. Gemeinsam eröffneten beide die Reihe mit einem Gottesdienst in der Ahauser Christuskirche. In seiner biographischen Predigt würdigte Keller die Leistungen Albert Schweitzers, gab aber auch seinen Kritikern Raum. Unvergessen als „Urwalddokter von Lambarene“, überhäuft mit Auszeichnungen wie dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (1951) und dem Friedensnobelpreis (1953), aber nicht minder laut gerügt wegen seiner kolonialen Sichtweise.
Dieser Gottesdienst war zugleich der Beginn der Wanderausstellung „Albert Schweitzer: Grenzenlose Menschlichkeit im Denken und Handeln“ des Deutschen Albert-Schweitzer-Zentrums, die von Ende August bis Anfang Oktober im benachbarten Dorothee-Sölle-Gemeindehaus zahlreiche Besucher anzog.
Zwei Vortragsabende und ein Orgelkonzert sah dann der weitere Veranstaltungskalender vor: Am 4. September, dem Todestag Albert Schweitzers, sprach Prof. Dr. Werner Zager (Worms) über „Albert Schweitzer als liberaler Theologe“. Er stellte dessen theologische Leistung in Umrissen dar, die leider lange Zeit im Schatten der in der evangelischen Kirche führenden „Dialektischen Theologie“ stand, ehe sie in den letzten Jahrzehnten wieder zum Gegenstand der Forschung wurde. Prof. Zager in seiner Zusammenfassung der theologischen Leistung Albert Schweitzers: „Seinen Weg gilt es auch heute wieder zu beschreiten, wenn Theologie und Kirche an Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft gewinnen wollen“.
Dem folgte am 11. September ein Orgelkonzert in der Christuskirche, gestaltet vom niederländischen Organisten Jan-Willem Docter (Enschede). Auf dem Programm standen ausschließlich Werke Bachs – in Erinnerung an die großen Orgelkonzerte Albert Schweitzers, aber auch an die Kontroversen, die Schweitzer mit seiner Interpretation der Bach’schen Musik ausgelöst hatte und die bis heute nachwirken.
Einen vorläufigen Abschluss der Veranstaltungsreihe setzte dann der Vortrag von Dr. Roland Wolf (Worms) am 16. September: „100 Jahre Lambarene – 100 Jahre Ehrfurcht vor dem Leben. Auf den Spuren Albert Schweitzers“. Es war eine sehr kurzweilige Spurensuche, reich bebildert und überdies erklärt von einem wohl der besten Kenner Albert Schweitzers wie auch Lambarenes. Der Vortrag schloss sehr nachdenklich, denn der Staat Gabun plant, seine Unterstützung für das heutige Albert-Schweitzer-Spital um fünfzig Prozent zu kürzen.
Eine eigenständige Fortsetzung der Veranstaltungsreihe gab es dann noch im Oktober im städtischen Alexander-Hegius-Gymnasium. Auf Anregung von Studiendirektor Winfried Terwolbeck gestaltete der dortige Fachbereich Philosophie einen Workshop zu Schweitzers Gedankenwelt und seinem gesellschaftlichen Wirken. Dr. Patrick Spell hatte Dr. Manfred Keller um das Eingangsreferat zum Thema „Albert Schweitzer – Theologe und Christ“ gebeten. Anschließend diskutierten die Schülerinnen und Schüler in drei Arbeitsgruppen den ethischen Ansatz, die Schöpfungs- und die Friedensethik des großen Humanisten. Höchst eindrucksvolle Rückmeldungen aus den Gruppen machten abschließend deutlich, wie inspirierend und aktuell Albert Schweitzer heute ist – als Ethiker, Kulturphilosoph und unermüdlicher Mahner zum Frieden.