Ein Universitätsklinikum für Lambarene!?

Von Roland Wolf

Die Überschrift überrascht sicherlich. Lambarene, das Städtchen im tropischen Regenwald Gabuns mit nicht mehr als 20.000 Einwohnern, inmitten einer menschenarmen Region „zwischen Wasser und Urwald“ gelegen, der Ort, der seit fast 100 Jahren das von Albert Schweitzer gegründete Spital und seinen 1981 fertiggestellten Nachfolger sowie seit 2009 den ultramodernen Neubau eines staatlichen Krankenhauses auf dem anderen Ogoweufer beherbergt, Lambarene soll zusätzlich noch Standort eines Centre Hospitalier Universitaire (CHU), also einer klinischen Einrichtung mit universitärem Anspruch werden?

Die Nachricht kam auch für die meisten Mitglieder der Internationalen Spitalstiftung, die das Krankenhaus betreibt, überraschend. Wie das Kaninchen aus dem Zylinder hatte sie der Präsident der Stiftung, Lachlan Forrow, nach einem Treffen mit dem gabunischen Staatspräsidenten Ali Bongo Ondimba Anfang Juni in Washington hervorgezaubert und sehr bald schon konnte man sie in der gabunischen und internationalen Presse lesen. Die Fotos in den beiden Tageszeitungen Gabuns zeigen Präsident Bongo im offiziellen Gästehaus der amerikanischen Regierung und ihm zur Seite FISL-Präsident Lachlan Forrow und den Direktor des Forschungslabors in Lambarene, Prof. Dr. Peter G. Kremsner.

Nach dem Willen der Initiatoren wird das geplante Klinikum Wissenschaft, klinische Pflege, öffentliche Gesundheitsvorsorge und Ausbildung im Rahmen beispielhafter internationaler Zusammenarbeit vereinen und so das Erbe Albert Schweitzers fortführen. Die Aktivität soll sich in erster Linie auf die grundlegenden Gesundheitsprobleme der Region einschließlich Tuberkulose, Aids, Malaria und die Mutter-Kind-Fürsorge erstrecken.

Das bestehende Spital in Lambarene muss dafür renoviert und durch neue Einrichtungen ergänzt werden. Der Beginn der Bauarbeiten sollte unverzüglich im Juli 2011 erfolgen, die Eröffnung des Klinikums ist für April 2013, zur Hundertjahrfeier der Ankunft des Ehepaares Schweitzer in Lambarene, vorgesehen.

Als Gründungspartner wurden vorgestellt das Albert-Schweitzer-Spital, die medizinische Forschungseinheit (Medical Research Unit) des Spitals, das Regionalspital Georges Rawiri, das Gesundheitsministerium von Gabun und das Büro des Staatspräsidenten Bongo.

Ende Juni hielt die gabunische Regierung eine Ministerratssitzung in Lambarene ab, und bei dieser Gelegenheit bekräftigte Präsident Bongo den Entschluss, in Lambarene ein CHU zu bauen. Zeitgleich erschienen in der gabunischen Presse zwei ausführliche Interviews mit FISL-Präsident Lachlan Forrow und dem wissenschaftlichen Leiter der Forschungseinheit, Professor Kremsner vom Tropeninstitut der Universität Tübingen. Letzterer war zusammen mit dem deutschen Botschafter in Libreville vom Staatspräsidenten empfangen worden.

In diesem Interview bekräftigt Kremsner, den Willen des Präsidenten schnell umsetzen zu wollen, damit die Eröffnung rechtzeitig zum 13. April 2013 erfolgen könne. Allerdings betont er auch, dass der vom Staat Gabun versprochene Betrag von einer Million Euro und die von internationalen Geldgebern aufzubringende Summe in gleicher Höhe nicht ausreichten und weitere Finanzmittel erforderlich seien, z.B. von der Europäischen Union oder der Bill and Melinda Gates Foundation.

Die europäischen Mitglieder des Stiftungsrats der Internationalen Spitalstiftung reagierten mit Überraschung und Beunruhigung auf die Initiative ihres Präsidenten. Und deshalb wurde sie auf die Tagesordnung einer außerordentlichen Sitzung gesetzt, die Ende Juli in Günsbach stattfand.

Dabei äußerten vor allem die Vertreter der Schweiz und Deutschlands ihre Skepsis angesichts der geplanten Entwicklung des Spitals und stellten klar, dass es bei stagnierendem oder rückgängigem Spendenaufkommen in der Zukunft nicht möglich sei, neben dem aktuellen Krankenhausbetrieb auch noch das neue Klinikum zu finanzieren.

Christiane Engel, die Enkelin des Spitalgründers und Vertreterin der Familie Schweitzer im Stiftungsrat, äußerte in einer sehr emotionalen Rede die Befürchtung, die neuen Pläne bedeuteten das Ende des Spitals ihres Großvaters, da die politische Einflussnahme des Staates, die Albert Schweitzer strikt abgelehnt hatte, nun immer größer werde.

Allerdings ist der staatliche Einfluss seit 1979 nicht mehr zu leugnen, als Gabun einen Teil des neuen Krankenhauses finanzierte und gleichzeitig der Stiftung zusicherte, künftig den Differenzbetrag zwischen dem Finanzbedarf des Spitals und den Spenden der Hilfsvereine zu übernehmen. Und mittlerweile beträgt der Anteil des Staates Gabun am Budget des Spitals fast die Hälfte, und die Gabuner stellen die Mehrheit im Stiftungsrat.

Es wäre für den Staat Gabun sicher ein Leichtes, das Krankenhaus völlig unter seine Kontrolle zu bringen, doch das, so versicherten die gabunischen Ratsmitglieder, sei nicht geplant. Das Schweitzer-Spital als Ort internationaler Zusammenarbeit im Geiste seines Gründers solle weiter bestehen bleiben und durch das neue Klinikum noch aufgewertet werden.

Verhindern lässt sich das Projekt sicher nicht, und ob es ein Erfolg wird oder sich in die lange Reihe von Projekten einreiht, die die hochgesteckten Erwartungen nicht erfüllen, lässt sich noch nicht sagen. Eine gewisse Skepsis ist sicher nicht fehl am Platz, vor allem aber muss Sorge getragen werden, dass der Geist Schweitzers auch weiterhin in Lambarene zu spüren ist.