Das Lebenswerk von Hans Stellmacher

Von Einhard Weber

Lernt man Hans Stellmacher aus Itzehoe in Schleswig-Holstein näher kennen, ist man von seinem Schicksal und seiner Lebensleistung beeindruckt. Bereits mit 41 Jahren musste er als Krankenpfleger berentet werden, weil ihn eine Hirnhautentzündung, ein Schlaganfall und dann noch ein Magenkrebs ereilt hatten. Psychische Krisen folgten. Aber wie durch ein Wunder überstand er alle Krankheiten. Geblieben ist ein Mensch, der sich mit bewundernswertem Engagement für andere Menschen einsetzt.

Ab 1989 stellte er seine wiedergewonnene Gesundheit in den Dienst bedürftiger Menschen, zunächst mit Hilfstransporten in mehr als ein Dutzend Länder. Beim ersten Transport nach Kaunas in Litauen erfuhr er vom dortigen Chef des Rotkreuz-Krankenhauses, dass es keine Dialysegeräte gab, obwohl die Klinik über geschulte Ärzte und erfahrenes medizinisches Personal verfügte. Sofort nach der Reise telefonierte er mit der Patienten-Versorgungs-Zentrale für Heimdialyse in Bad Homburg und erreichte, dass diese nicht nur drei Dialysegeräte nach Kaunas schickte, sondern auch die Wartung und Instandsetzung langfristig übernahm. Viele Transporte mit kompletten Röntgeneinheiten, Operationstischen, Narkosegeräten und anderem medizinischen Material folgten im Wert von mehreren Millionen DM. Das nur einige Beispiele.

In den neunziger Jahren machte das Ehepaar Stellmacher häufiger Erholungsurlaube im Parkhotel in Königsfeld im Schwarzwald, wo Albert Schweitzer sich nach dem 1. Weltkrieg ein Haus für seine Familie gebaut hatte. So lernte er auch Fritz Link, den Bürgermeister der Stadt kennen, der ihn zur Eröffnung des Albert-Schweitzer-Museums einlud. Dabei kam es zu einer Begegnung mit Tomaso Carnetto, dem damaligen Vorsitzenden des Deutschen Hilfsvereins, der Stellmacher bat, im Norden etwas für Schweitzer zu tun.

Seine Reaktion: In wenigen Jahren richtete er in zwanzig Städten Schleswig-Holsteins und Niedersachsens Bildungsstätten für Albert Schweitzer in Medienzentren, Schulen, Bibliotheken, Büchereien, Rathäusern und Kirchengemeinden ein, die er mit Büchern, anderen Schriften, DVDs – unterstützt vom Deutschen Albert-Schweitzer-Zentrum – versorgte. Auch stellte er gesponserte Abspiel- und Fernsehgeräte zur Verfügung.

Unvergesslich wird mir die erste persönliche Begegnung bleiben. Wir trafen uns in Weimar zu einem Gespräch mit dem Albert-Schweitzer-Komitee. Bei dieser Gelegenheit wollte ich als langjähriges Mitglied der Goethe-Gesellschaft deren Geschäftsstelle besuchen. Hans Stellmacher bat mich, ihn mitzunehmen. Er verfolgte unser Gespräch und ließ sich zwischendurch einen Mitgliedsantrag aushändigen. In wenigen Monaten wurden dann aus mehreren Albert-Schweitzer-Bildungsstätten auch Goethe- und Schiller-Stätten, die er wiederum mit Unterstützung der Gesellschaften mit Literatur, DVDs und technischem Gerät versorgte.

Im Mai des Vorjahres wurde im Theater in Brunsbüttel an der Elbe in Anwesenheit zahlreicher politischer Prominenz und Ehrengäste die Goethe-Schiller-Schweitzer-Akademie eingeweiht, wobei der Präsident der Goethe-Gesellschaft, Dr. habil. Jochen Golz, und ich für die Schweitzerfreunde Reden hielten. Aber ein besonderer Coup darf bei Hans Stellmacher nicht fehlen. Zum Abschluss gab es ein Konzert eines ihm verbundenen jungen Pianisten mit seiner Violinpartnerin, die zwei Tage zuvor ihr Debüt mit diesem Programm in der Carnegie-Hall in New York gegeben hatten.

Und erst in diesem Jahr, vor wenigen Wochen, am 4. Januar 2012 setzte der ungewöhnliche Tatmensch Hans Stellmacher ein erneutes Ausrufezeichen mit der gemeinsamen Eröffnung aller Bildungseinrichtungen für ethische Bildung der Westküstenakademie. Und diese fand in einem wahrhaft würdigen Rahmen statt, und zwar im Spiegelsaal des Rathauses von Wilster in Schleswig-Holstein, das aus der Goethe-Zeit stammt und eine Bibliothek aus dieser Zeit beherbergt.

Die Festrede hielt die Vizepräsidentin des schleswig-holsteinischen Landtages, Anita Klahn, in der sie das Lebenswerk von Hans Stellmacher würdigte, der nun etwas kürzer treten möchte, auch um seine Frau Helga endlich zu entlasten, die mit Geduld und Anteilnahme ihn immer unterstützt hat, was bei diesem bedingungslosen Einsatz ihres Mannes mit Sicherheit nicht leicht war. Ohne sie, die sich immer bescheiden im Hintergrund hält, wäre diese einmalige Lebensleistung nicht möglich gewesen.