Von Einhard Weber
Die Idee ist zur Tat geworden, die Planung zum Programm, die Ahnung zur Gewissheit. Mit einer instruktiven Pressekonferenz im Konzerthaus am Gendarmenmarkt und einer eindrucksvollen Auftaktveranstaltung in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche haben wir am 14. Januar in Berlin das Albert-Schweitzer-Jahr 2013 offiziell eröffnet. Kein anderer Tag als Schweitzers Geburtstag dürfte sich besser dafür geeignet haben, Anlass und Zielsetzung unseres großen Jubiläumsprojekts „100 Jahre Albert-Schweitzer-Spital in Lambarene – 100 Jahre Menschlichkeit“ in die öffentliche Wahrnehmung zu rücken.
Eines vorweg: Unser Anliegen, die Gültigkeit und die Aktualität der humanitären Botschaft Albert Schweitzers für das Überleben der Menschheit und sein Engagement im Urwaldkrankenhaus Lambarene als Pioniertat eines Lebens für andere herauszustellen, ist von den Medienvertretern wie den Konzertbesuchern verstanden worden. Lambarene, was sich einmal mehr bewegend erwiesen hat, lebt. Das macht mich glücklich und dankbar, gerade auch gegenüber unseren vielen Mitstreiterinnen und Mitstreitern auf dem mühevollen Weg bis dahin.
„Albert Schweitzers geistiges Werk ist aktueller denn je. Daher sind all unsere Anstrengungen darauf gerichtet, seine Ethik der Verantwortung für das Leben und sein humanitäres Engagement im Dienste der Ärmsten den Menschen heute nahezubringen.“ Diese elementare Position des Deutschen Hilfsvereins zog sich wie ein roter Faden durch die Pressekonferenz. Eindringlich geschildert wurde die Notwendigkeit des Respekts vor dem Leben angesichts der wachsenden Verwüstung unserer Lebensressourcen, der Verschwendung von Lebensmitteln ungeachtet des Hungers in weiten Teilen der Welt, des Anwachsens von Kulturlosigkeit und Barbarei.
Pfarrerin Dr. Cornelia Kulawik, unsere Gastgeberin von der Evangelischen Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirchengemeinde, hob die Relevanz des ideellen Lebenswerks Schweitzers für Menschen auf der Suche nach theologischen Maßstäben und sozialer Orientierung hervor. Unser Moderator Dr. Ralf Siepmann wies zur Untermauerung auf die Forderung einer „Ethik des genug“ hin. Diese war vom Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Dr. h.c. Nikolaus Schneider, – von dem auch ein schöner Artikel in unserer Festschrift zu finden ist – vor wenigen Wochen erhoben worden.
Michael Grüber, der Organisator der Benefizkonzerte zugunsten der Erneuerung des Spital-Kindergartens, sah in der Persönlichkeit des großen Elsässers wie auch den Konzerten Außergewöhnliches. Er beschrieb die „großartige Chance, uns alle zum Nachdenken darüber zu bewegen, was der Mensch in der Welt ist und was er aus seinem Leben machen will“.
In der Hauptstadt konkurrieren täglich Hunderte von Pressekonferenzen und Events bei den Medien um die öffentliche Aufmerksamkeit. Für ein Thema gegen den „Mainstream“ Rundfunk, Presse und Online-Portale zu mobilisieren, ist gewiss nicht einfach. Uns ist dies erfreulicherweise weitgehend gelungen. Drei bundesweit agierende Nachrichtenagenturen – dapd, epd und KNA – interessierten sich für Konzept und Praxis unseres Jubiläumsjahres. „Albert-Schweitzer-Jahr eröffnet – 200 Benefizkonzerte für Hospital in Lambarene“, tickerte das Berliner Büro von epd in die Medienwelt von Rostock bis Freiburg i.Br. Die Agentur zitierte aus dem schriftlichen Grußwort unseres Bundespräsidenten. „Wegbereitern wie Albert Schweitzer verdanken wir es“, so Joachim Gauck, „dass das Menschenrecht auf ärztliche Versorgung und notwendige soziale Leistungen so große und frühzeitige Aufmerksamkeit fand.“ Rundfunksender wie der RBB und der ERF transportierten die wichtigsten Botschaften und baten um ergänzende Interviews. Unsere Informationsmaterialien – eine detaillierte Pressemappe und die Festschrift – fanden lebhafte Nachfrage. Wie gesagt, Albert Schweitzers Ideen sind lebendig. Mit der Zielsetzung unseres Jubiläumsjahres, das kann ich heute schon sagen, haben wir den Nerv der Zeit getroffen.
Apropos Aktualität Schweitzers für die Menschheit heute. Unsere Position, die unveränderte Gültigkeit der humanitären Botschaft Schweitzers in den Fokus zu rücken, wurde durch die Präsentation der wichtigsten Daten einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach glaubhaft unterstützt.
Die Studie mit einer Befragungswelle im Dezember wurde im Auftrag des Deutschen Hilfsvereins realisiert. Danach ist Schweitzer fast 50 Jahre nach seinem Tod 88 Prozent der deutschen Bevölkerung bekannt. 26 Prozent zählen ihn zu den drei wichtigsten Vorbildern. Auch von den 16- bis 29-Jährigen empfinden ihn 16 Prozent, also fast jeder sechste, als großes Vorbild, von den 60-Jährigen und Älteren sogar 37 Prozent. Hoher Wertschätzung erfreut er sich unter Protestanten gleichermaßen wie unter Katholiken, übrigens auch in den neuen Bundesländern. Hier zeigt sich ein großes Potential, das für die Gedankenwelt Albert Schweitzers offen ist.
Am Abend des 14. Januar dann stand die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche ganz im Zeichen der weit reichenden Dimension des Jubiläumsjahres. Während draußen die Temperaturen weit unter null absanken, erwärmten im Kircheninneren Orgelwerke von Bach und Widor Seelen und Herzen. Dr. Roland Wolf ließ „100 Jahre Lambarene“ Revue passieren und warb eindringlich für unser Anliegen. Die Regierung von Gabun, berichtete er, will das Schweitzer-Spital in Lambarene durch die Einrichtung eines internationalen Universitätsklinikums in Lambarene aufwerten. Aus diesem Grund beteiligt sie sich auch an der Renovierung des Krankenhauses und dem Ausbau der Forschungseinrichtung. Wolfs Appell: „Wir möchten diese Renovierung unterstützen. Das Anliegen liegt im Fokus des Jubiläumsjahres und unseres generellen Engagements.“
Und dabei vergesse ich bei keinem Vortrag, wie zum Beispiel in Berlin, Aumühle, Bayreuth und Pegnitz, darauf hinzuweisen, dass dieses dringende Großprojekt immer auch im Zusammenhang mit dem ethisch-geistigen Werk seines Gründers zu sehen ist und dass uns bei der dringend notwendigen Aneignung einer neuen ethischen Gesinnung und dementsprechenden Änderung unseres Lebensstils Albert Schweitzer als tief fühlender Denker und Mensch ein wertvoller Begleiter und Helfer sein kann.