Von Sibylle Helmer
Vergangenen Samstag, den 16.2.19, feierte das Deutsche Albert-Schweitzer-Zentrum Frankfurt am Main sein 50-jähriges Bestehen mit einem fulminanten Tag der Offenen Tür.
Natürlich standen Leben, Werk und Wirken Albert Schweitzers im Mittelpunkt, dessen Bedeutsamkeit und Aktualität in Vorträgen, Filmdarbietungen und Lesungen sowie durch die vor Ort befindliche Dauerausstellung lebendig vor Augen und zu Gehör gebracht wurden. Für ein abwechslungsreiches wie begeisterndes musikalisches Begleitprogramm sorgte die Perkussionsgruppe ImPuls.
In einem sehr lebendigen Eröffnungsvortrag gab Dr. Gottfried Schüz, Vorsitzender der Stiftung Deutsches Albert-Schweitzer-Zentrum, einen Überblick über die wichtigsten Stationen von Schweitzers Denken und Wirken, wie es in der von ihm kuratierten Dauerausstellung „Albert Schweitzer – grenzenlose Menschlichkeit im Denken und Handeln“ anschaulich wie eindrucksvoll dokumentiert ist.
Darin begegnet der Theologe, Philosoph, Organist und Orgelexperte sowie der Tropenarzt und Gründer des berühmten Urwald-Spitals in Lambarene (Gabun), der neben vielen Auszeichnungen 1954 den Friedensnobelpreis erhielt, als herausragendes Multitalent, Humanist der helfenden Tat und zukunftsweisender Denker. Nach einem Rundgang durch die auch didaktisch sehr anregend und herausfordernd aufbereitete Ausstellung erhielten die sich einfindenden zahlreichen Besucherinnen und Besucher in einem weiteren fesselnden Vortrag von Dr. Schüz einen vertiefenden Einblick in Schweitzers kulturkritisches Denken und in die Begründung und brisante Aktualität seiner universellen Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben, deren Wurzeln bis in elementare Kindheitserlebnisse zurückreichen. Jene steht für eine grenzenlose Verantwortung für alles Leben, wie sie heute für ein gedeihliches Zusammenleben der Menschheit unabweisbar ist.
Dass diese Ethik, die alles Leben als gleichwertig anerkennt, nicht nur in der Theorie, sondern in hingebungsvoller Praxis authentisch gelebte Gestalt annahm, wurde im zweiten Teil des Vormittags evident. Hier stellte Dr. Roland Wolf, stellv. Vorsitzender des Deutschen Hilfsvereins für das Lambarene-Spital e.V., und weltweit bester Kenner dieses Spitals die dortige ungeheure Aufbauleistung Schweitzers anschaulich dar. Was zusammen mit seiner Frau Helene in der Krankenbehandlung in einem ausgedienten Hühnerstall 1913 seinen Anfang nahm, baute Schweitzer bis in sein 90. Lebensjahr hinein zu einem regelrechten Spitaldorf mit 70 Krankengebäuden aus, in dem nicht nur die afrikanischen Patienten medizinische Betreuung und deren Angehörigen, sondern auch zahllose Tiere Herberge fanden. Dr. Wolf bezog auch den heutigen Ausbaustand des Lambarene-Spitals ein, der sich als moderne Polyklinik mit einer beachtlichen Spitalapotheke präsentiert, und zu dessen Erhalt der Deutsche Hilfsverein (DHV) Dank eines gleichbleibenden Spendenaufkommens maßgeblich beiträgt.
Mit dem anschließend in Ausschnitten gezeigten Filmklassiker „Albert Schweitzer in Lambarene“ konnten die Besucherinnen und Besucher sodann eine regelrechte Zeitreise nach Lambarene unternehmen und den über achtzigjährigen Albert Schweitzer selbst bei seiner Arbeit im Spital erleben.
Am Nachmittag standen nach mitreißenden afrikanischen Klängen und Gesängen zwei Lesungen auf dem Programm. So wurde zunächst vom stellv. Vorsitzenden der Albert-Schweitzer-Stiftung, Dr. Stefan Walther, aus Predigten Schweitzers über den „Besitz“ gelesen. Ebenso überraschend wie aufrüttelnd kam darin nicht nur dessen radikaler Appell zu Wort, dass wir möglichst einfach leben sollten, um genügend übrig zu haben für Bedürftige. Ferner sollten wir von unserer Habe, die wir auch der Allgemeinheit verdanken, für jede, der eigenen Annehmlichkeit dienende Ausgabe den gleichen Betrag an Notleidende abzweigen.
Die anschließende Lesung war Auszügen aus dem ausgesprochen bewegenden Briefwechsel zwischen Albert Schweitzer und seiner Freundin und späteren Ehefrau Helene Bresslau aus den Jahren 1902-1912 gewidmet. Frau Dr. Blochmann, Mitarbeiterin des Albert-Schweitzer-Zentrums und Horst Schönhaar, Schauspieler am Internationalen Theater Frankfurt, verstanden es meisterhaft, die überaus einfühlsame und sprachlich brillante Korrespondenz des jungen Freundespaares zu Gehör zu bringen. Darin spiegelte sich in anrührender Weise das gemeinsame Ringen um eine bedürftigen Mitmenschen dienende Aufgabe gemäß der Devise, „nicht nur füreinander zu leben, sondern miteinander für etwas zu leben.“
Zum Abschluss des Tags der Offenen Tür sollte Albert Schweitzer selbst das letzte Wort behalten. Gebannt folgten alle Anwesenden dem ein Jahr vor seinem Tod gesprochenen „Mein Wort an die Menschen“ im Originalton. Sein einleitendes „Ich rufe die Menschheit auf zur Ehrfurcht vor dem Leben“ bis hin zu seinem eindringlichen Friedensappell, dass jede Art militärischer Kriegsführung aus ethischen Gründen zu verwerfen sei, könnten nicht aktueller sein.
Schließlich rundete die mit sechs Musikerinnen und Musikern besetzte ImPuls-Perkussion die Beiträge mit einem grandiosen musikalischen Finale ab. Hier wie auch in den vorangegangenen Darbietungen brillierte vor allem der Afrikaner Baye Cheikh Matala Mbaye an der Jembe mit furiosen Soloeinlagen.
Am Abend bildete ein Benefizkonzert „Auf den Spuren Schweitzers …“ in der Heilig-Geist-Kirche Frankfurt mit Traugott Fünfgeld an der Orgel einen glanzvollen musikalischen Abschluss des Jubiläumtages. Nach einem einführenden Grußwort des Stadtdekans Dr. Knecht spielte der Offenburger Kantor Fünfgeld Werke von J. S. Bach, L. Vierne und eigene Kompositionen.